Rundbrief 142 vom 17.Juni 2023

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 142

OMZ –  Marc Kersten zur andauernden Unübersichtlichkeit

Zwei Wochen nach der Zwangsräumung des OMZ war ich heute mit einer Gruppe ehemaliger Bewohner des selbstverwalteten Obdachlosenprojekts in der Escher Straße 304, um für eine vorübergehende Wohnmöglichkeit vorzusprechen. Seit dem 31. Mai sind diese in alle Winde verstreut.

Einige hatten am Tag nach der Räumung ein neues Haus besetzt, was von der Polizei aber umgehend beendet wurde. Einige zogen danach in den Friedenspark, wurden dort jedoch tags darauf vom Ordnungsamt verscheucht. Auch an ihrem Ausweichquartier an der Ulrepforte wollte die Verwaltung sie nicht dulden. Danach ging es erst zur Lutherkirche, dann zum Volksgarten und schließlich zu ihrem jetzigen Standort.

Ein paar andere sind auf einem Campingplatz untergebracht, ein paar wenige haben von der Stadt Wohnungen erhalten. Ein OMZler zeltet alleine. Die zuvor als zu schützendes Opfer von Zwangsprostitution bezeichnete Frau ist völlig abgetaucht, was wohl nicht auf eine vollzogene Schutzwirkung zurückzuführen ist. In anderen Worten: Diese von der Stadt Köln durch die Räumung obdachlos gemachten Menschen werden seither hin und her geschubst. Sie campieren teils menschenunwürdig in muffigen Zelten mit 40 Grad Innentemperatur. Und sie alle sehnen sich nach einer Wohnung.

Gleichzeitig wurde am Wochenende ein Mordversuch an einem Obdachlosen am Wiener Platz gemeldet. Das Opfer ist schwer verletzt, der tatverdächtige Jugendliche inhaftiert. Unglaublich welche Ausmaße der Hass auf Minderheiten annimmt.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Argumentation von Personen im Kölner Sozialdezernat absolut zynisch, die ein Leben auf der Straße als sicherer darstellen, als im OMZ. Ich schäme mich dafür, dass meine Stadt so eine abstruse und schon jetzt von der Realität eingeholte Sichtweise befördert.

Ich spüre an dieser Stelle auch starke Entfremdung von handelnden Politikern, die auch meiner Partei angehören. Und die diese Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Politik stillschweigend dulden. Es ist schlichtweg eine Schande für Köln.

Kommentar:Und in der Winterberger Straße steht ein Haus mit Wohnungen und abschließbaren Zimmern leer – Leerstand, der für eine Sozialdezernat steht, dem der Anstand fehlt.

Existenz des SSM e.V. gefährdet

Der SSM e.V. („Sozialistische Selbsthilfe Mülheim“) betreibt seit mehr als 40 Jahren erfolgreich autonome Daseinsvorsorge in Köln. Hunderte Menschen, die zuvor auf der Straße und von Sozialleistungen gelebt haben, sind in den letzten 30 Jahren durch die selbstbestimmte Arbeit beim SSM e.V. wieder auf die Beine gekommen, und viele leben und arbeiten sozialversicherungspflichtig (!) bis heute beim SSM. Durch die soziale Arbeit des SSM spart die Stadt Köln jedes Jahr fast 400.000 Euro Sozialkosten.

Am 30. Juni endet der 30-jährige Mietvertrag des SSM mit der Stadt Köln ohne Verlängerungsmöglichkeit. Obwohl sich der MachMit! e.V., der Trägerverein des SSM, bereits seit 2018 darum bemüht, nach dem Mietvertrag einen Erbbaurechtsvertrag mit der Stadt Köln abzuschließen, verliefen die Gespräche mit der Liegenschaftsverwaltung bisher ohne Ergebnis. Ein Erbbauvertrag kam bislang nicht zustande. Trotz Gesprächen mit allen demokratischen Fraktionen im Rat, in denen dem SSM e.V. Anerkennung und Verständnis entgegengebracht wurden, ergriffen sie keine Antragsinitiative gegenüber der Verwaltung für einen Erbpachtvertrag.

Deshalb lädt der SSM jetzt zu einem Solidaritätsfest am 01. Juli ein. Siehe Anhänge

Quelle: der aktuelle Newsletter von Köln kann auch anders

Zur Geschichte der Wohnungslosigkeitsforschung

Nels Anderson
https://de.wikipedia.org/wiki/Nels_Anderson

The Hobo. The Sociology of the Homeless Man. University of Chicago Press, Chicago 1923
https://ia802206.us.archive.org/15/items/hobosociologyofh00ande/hobosociologyofh00ande.pdf

Im aktuellen Heft 1 und 2, 2023 von sub\urban, der Zeitschrift für kritische Stadtforschung, geht es um das Verhältnis von Stadt und Arbeit.
https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/issue/view/51/41#content

Mehr zum Lesen  

Deutscher Städtetag. Geschäftsbericht 2023
https://www.staedtetag.de/files/dst/docs/Publikationen/Geschaeftsberichte/geschaeftsbericht-2023-final.pdf

14.07.2022 „Wohnen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen“
Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages: „Erste Wohnungslosenstatistik ist wichtiger Schritt“. Obdachlose, die auf der Straße, in Hauseingängen oder unter Brücken schlafen, werden noch nicht gezählt. Ebenso fehlen in der Statistik die ‚verdeckt Wohnungslosen‘. https://www.staedtetag.de/presse/pressemeldungen/2022/wohnen-ist-grundbeduerfnis-erste-wohnungslosenstatistik

02.03.2022 Städtetagpräsident Markus Lewe zum Start der Bundestagung 2022 der BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W), des Dachverbandes der Wohnungslosenhilfe in Deutschland
Die Bundesregierung muss rasch ihren geplanten Nationalen Aktionsplan vorlegen. Sie muss darin wirksame Maßnahmen vorsehen, um Wohnungslosigkeit stärker zu bekämpfen und die Situation am Wohnungsmarkt grundlegend zu verbessern.“
https://www.staedtetag.de/presse/pressemeldungen/2022/jeder-mensch-braucht-einen-platz-zum-wohnen

01.08.2019 Zum Wohnungslosenberichterstattungsgesetz
Der Deutsche Städtetag bedauert, dass dem Gesetzesentwurf zufolge in die amtliche Statistik jene Personen nicht einbezogen werden, die wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind, aber keine Plätze in Einrichtungen für Wohnungslose in Anspruch nehmen. Personen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben oder auch Personen, die bei Freunden oder Verwandten Unterkunft gefunden haben, werden also von der geplanten Wohnungslosenstatistik nicht erfasst. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Stellungnahmen/wohnungslosenberichterstattungsgesetz-deutscher-staedtetag.pdf

Mythos öffentlicher Raum: Wie öffentlich muss die Stadt der Zukunft noch sein?
https://www.academia.edu/712233/Mythos_%C3%B6ffentlicher_Raum_Wie_%C3%B6ffentlich_muss_die_Stadt_der_Zukunft_noch_sein_Universit%C3%A4t_Kaiserslautern_2001

Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte
Die Wucht der derzeitigen Urbanisierungsdynamik und ihre Auswirkungen sind so groß, dass sich weltweit Städte, Stadtgesellschaften, Regierungen und internationale Organisationen diesem Trend stellen müssen. 
https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/der-umzug-der-menschheit-die-transformative-kraft-der-staedte

Zum Beispiel Mönchengladbach


Mehr „kleine Zuhause“ für Obdachlose aufgestellt
Das sind gedämmte Holzhütten, mit einer Tür und einem Kippfenster, einem richtigen Bett mit dicker Matratze und der Möglichkeit, die eigenen, wenigen Habseligkeiten einzuschließen. Die ersten beiden Häuser wurden in den Werkstätten des Einrichtungshauses Schaffrath gefertigt, Schreinermeister und Azubis packten mit an. Finanziert wird je eins der zwei Häuschen, die jeweils 2700 bis 3200 Euro kosten, von der Schaffrath Stiftung für Soziales und von den Suppentanten um Iris van Montfort-Eickhoff. Weitere Häuser an unterschiedlichen Standorten sollen folgen, um möglichst viele obdachlose Menschen, die es möchten, unterzubringen. Zukünftig sollen es vorgefertigte Wohncontainer aus Metall sein (je 3500 bis 3700 Euro), vor allem wegen des Brandschutzes, erklärt Schaffrath. Weitere Firmen und Privatpersonen, die solche Unterkünfte sponsern wollen, hat die Geschäftsfrau bereits gewinnen können. „Die Container können wir sehr schnell bekommen. Worauf wir jetzt noch warten, ist das ,Go‘ der Stadt, auf welchen städtischen Flächen im Bahnhofsumfeld dies möglich ist.“ Man stehe im „intensiven Austausch“, bestätigt Oberbürgermeister Felix Heinrichs. „Wir sind sehr froh, dass es solche Menschen in unserer Stadt gibt, die sich engagieren, Kraft und Geld dafür geben.“ Denn auch das ist klar: Die Initiative geht zwar von der Stiftung aus, aber es handelt sich um ein „städtisches Problem, das gelöst werden muss“, sagt Schaffrath. „Die kleinen Häuser sind eine Möglichkeit, das schnell auf den Weg zu bringen.“
https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/moenchengladbach-kleine-haeuser-fuer-menschen-ohne-wohnung-bei-schaffrath_aid-81789315

Zum Beispiel Leverkusen



Die Kirche Sankt Thomas und das angrenzende Pfarrheim wurden 1962 erbaut und inzwischen unter Denkmalschutz gestellt. Seit im Januar 2016 das Dach absackte, wird die Kirche nicht mehr genutzt. Es ist nun geplant, die Kirche komplett zu entkernen und das Dach abzubrechen. Es werden 3 neue Etagen eingezogen. Dabei wird der ehemalige Altarbereich ausgespart, so dass hier ein geschützter, nahezu runder Innenhof entsteht. Der soziale Wohnraum der hier geschaffen wird, soll wohnungslosen Menschen unter Betreuung helfen, wieder ein eigenständiges, unabhängiges Leben zu führen.https://kollbach-bansi-architekten.de/thomas-morus

Sendungen, Meldungen, Nachrichten

Umgehung der Mietpreisbremse: Initiative gegen Schlupfloch
Mit möblierten Wohnungen lässt sich die Mietpreisbremse leicht aushebeln. Hamburg und Bremen wollen mit einer Bundesratsinitiative dagegen vorgehen.
https://taz.de/Umgehung-der-Mietpreisbremse/!5941210/

Corneth bleibt Vorsitzender des Kölner Mietervereins
https://www.report-k.de/corneth-bleibt-vorsitzender-des-koelner-mietervereins/

Jugendlicher soll Wohnungslosen in Köln-Mülheim niedergestochen haben
https://www.ksta.de/koeln/muelheim/muelheim-veedel/fahndung-jugendlicher-soll-wohnungslosen-in-koeln-muelheim-niedergestochen-haben-588902

Obdachloser in Mülheim niedergestochen
https://www.report-k.de/obdachloser-mann-in-muelheim-niedergestochen-mordkommission-ermittelt/

Wohnungsmarkt wie leergefegt – Kündigungen wegen Eigenbedarfs nehmen stark zu
https://www.merkur.de/lokales/schongau/schongau-ort29421/zu-wohnungsmarkt-wie-leergefegt-kuendigungen-wegen-eigenbedarfs-nehmen-stark-92321931.html

Termine

16./17.06.2023, Bezahlbarer Wohnraum ist möglich. Mertonstr.26, Frankfurt a.M. https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/EBQUM/bezahlbarer-wohnraum-ist-moeglich

18.06.2023, 14:30 Uhr,   Edelweißpiratenfestival, Friedenspark

26.06.2023, 19:30 Uhr, 125 Jahre gemeinnütziger Wohnungsbau im rechtsrheinischen Köln
Dom Forum. https://denkmaldienste.de/rvdlkoeln/2023/05/22/wohnungsbau-rrhkoeln/

28.06.2023, 18:30 Uhr, Herausforderung: Wohnungssuche in Köln. Flüchtlingszentrum Fliehkraft, Turmstr.3-5, Köln-Nippes

17.08.2023, 15:30 Uhr Sozialausschuss

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

17. Juni  2023
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln

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