Rundbrief 123 vom 4. Februar 2023

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 123

Kundgebungen gegen Wohnungsnot und Zwangsräumungen

Um in der Stadtgesellschaft weiter öffentlich zu machen, dass die Abschaffung der Obdachlosigkeit keine langfristige Angelegenheit sein muss, stehen wir am Samstag, den 4. Februar ab 11 Uhr wieder vor dem Haus mit den 80 leerstehenden Wohnungen in der Friedrich-Engels-Straße 7. Dort bleiben wir aber nicht stehen. Jeden Samstag wollen wir vor einem anderen Leerstand dagegen protestieren und die Beschlagnahme und die Unterbringung von Obdachlosen fordern. In Köln stehen über 5000 Wohnungen leer.

Das Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung ruft außerdem zu einer Protest-Kundgebung vor der ersten Ratssitzung in diesem Jahr auf.

Donnerstag, 9. Februar 2023, 14 Uhr Theo-Burauen-Platz, Rathaus

Jacquelin Winands, die mit ihren Kindern aus ihrer Wohnung in Gremberghoven zwangsgeräumt wurde und immer noch nicht von der Stadt in einer geeigneten Wohnung untergebracht ist, ist kein Einzelfall.

Adnan Akyüz am 29. Januar 2023 im Express:
„Ines Kerstin (41) ist im August 2020 aus Köln nach Korschenbroich im Rhein-Kreis Neuss gezogen. „Weil ich in Köln keine Wohnung gefunden habe“, erklärt sie. Ihre Wohnung an der Werner-von-Siemens-Straße musste sie aber am 12. Januar 2023 wegen einer Zwangsräumung verlassen. Seit diesem Tag ist sie mit ihren vier Kindern (3, 7, 15, 18) obdachlos.“

Korschenbroich und Mönchengladbach schieben die Verantwortung für die obdachlose Kölnerin mit vier Kindern hin und her
https://www.express.de/koeln/nrw-koelnerin-nach-zwangsraeumung-im-kreis-neuss-obdachlos-423363   

Wer sich fragt, wieso es sein kann, dass die Sozialverwaltungen der Städte nicht zuallererst helfen, wo eine Not erkennbar ist, wird mit der finanziellen Misere der Städte konfrontiert.

Claudia Pinl hat in ihrem Buch „Freiwillig zu Diensten“  Ursachen dafür genannt:

Mit der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997, aus der sie Anteile erhielten und der Gewerbekapitalsteuer 1998 verloren die deutschen Kommunen verlässliche Einnahmequellen. Die Steuergesetzgebung der vergangenen Jahrzehnte hat die Reichen reicher gemacht, die Mittelschicht ausgedünnt und den Staat arm.
2000 wurden die steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten für Stiftungen ausgeweitet. Die öffentliche Hand verzichtet auf erhebliche Steuereinnahmen, wird arm und ärmer, damit die Vermögenden nach eigenem Gusto entscheiden können, wie sie ihre Millionen und Milliarden einsetzen – ohne demokratische Kontrolle. Entsprechend boomt das Stiftungswesen.

Pierre Bourdieu hat sich in seinem Buch „Das Elend der Welt“ mit den Folgen der Abdankung des Staates befasst. „Die interviewten Polizisten, SozialarbeiterInnen und Richter äußern in den Gesprächen immer wieder das Gefühl, in ihrem beruflichen Engagement gegen das materielle und moralische Elend im Stich gelassen zu werden.“ http://www.thomaslemkeweb.de/publikationen/rezensionen/Bourdieu.pdf

Statt dass die Städte dagegen aufstehen, dass einige wenige sich auf Kosten vieler bereichern, dass öffentliche Infrastruktur und kulturelle Errungenschaften den Bach runtergehen, weil Multimillionäre den Hals nicht voll genug kriegen, treten sie in Konkurrenz gegeneinander an. Köln ist dabei. Wer bei dem Gerangel um Spitzenplätze auf der Strecke bleibt, wird nirgendwo thematisiert.

Josef Berditchevski

Im Stadt-Anzeiger vom 3. Februar 2023 berichtet Axel Spicker auf S. 12 über die Einstellung der Ermittlungen zu den Todesschüssen auf den Straßenmusiker Josef Berditchevski. Der Anwalt eines der Polizeischützen wird zitiert: „Die Staatsanwaltschaft hat die beiden Beamten stets als Zeugen  und nicht als Beschuldigte geführt, allein dieser Umstand beweist doch, dass die Handlungsweise der Polizisten korrekt war.“

Dagegen Rainer Kippe im Rundbrief 97 vom 6. August 2022:
„Wegen der Durchsetzung von EIGENTUMSRECHTEN zur Waffe zu greifen ist rechtlich zwar möglich, widerspricht aber grundsätzlich unserer Auffassung von Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und von Menschenwürde. 
Von daher kann dieser Todesschuss nicht rechtens sein. 
Es gibt andere Mittel, soziale Konflikte zu befrieden, als Schusswaffen, das sollte die Polizei am besten wissen.“
Https://www.wohnungsnot.koeln/rb97/

Betreuer Bernd Müffeler erklärte im Report des Stadt-Anzeiger: „Es ist das System, durch das solche psychisch auffälligen Menschen fallen.“ Für viele seiner 40 Klienten sucht er vergebens psychiatrische Hilfe, weil die Kliniken überlastet sind. 

Besonders oft von Wohnungslosigkeit betroffen sind stationär behandelte Psychiatriepatienten, wie eine Studie im Berliner St. Hedwig-Krankenhaus zeigte.
https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/psychisch-krank-in-die-obdachlosigkeit/

Otto-Langen-Quartier:  Zwischenlösungen lassen die Hauptlösung aus den Augen

Paul Gross meldete am 1. Februar 2023 im Stadt-Anzeiger: Taskforce der Stadt soll schnelle Nutzung des Otto-und-Langen-Quartiers ermöglichen
https://www.ksta.de/koeln/muelheim/muelheim-veedel/koeln-muelheim-neue-nutzung-des-otto-und-langen-quartiers-moeglich-429655

Wo bleibt die schnelle Nutzung des Geländes für Sozial- und Housing-First-Wohnungen?

Der Initiativkreis Otto Langen-Quartier kommentiert:
Die aktuelle Berichterstattung im KStA bezieht sich auf die Forderung einer Zwischennutzung für das ehemalige KHD-Verwaltungsgebäude an der Deutz-Mülheimer-Straße. „Zwischennutzung“ ist das aktuelle Thema, mit dem aber das eigentliche Thema, was aus dem Areal werden soll, in den Hintergrund gerät.

Bekanntlich engagiert sich der Initiativkreis Otto-Langen-Quartier für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des alt-industriellen Areals zu einem neuen Stadtquartier. Diese Chance steht und fällt damit, ob die Stadt Köln und das Land NRW vom 2021 beschlossenen Bieterverfahren für das Areal an einen Großinvestor zum Höchstgebot absehen und eine städtebauliches Planungsverfahren für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung einleiten.

Dazu haben wir einen Handlungsvorschlag gemacht, den wir am 7.12. in einem Pressegespräch vorgestellt haben.

Initiativkreis Otto-Langen-Quartier
ein Arbeitskreis des Rheinischen Industriekultur e.V.
Jörg Frank (+49 151 58443416) / Bodo Marciniak (+49 221 691717) / Martin Stankowski (+49 163 5525262)

Vonovia

Unter dem Titel „Vonovia stoppt 500 Neubauten in Köln“ meldet die Kölnisch Rundschau:

„Die Stadt sei in Kontakt mit potenziellen und tatsächlichen Bauträgern und versuche, die Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Investoren an Bord blieben und weitermachen wollten.“
https://www.rundschau-online.de/koeln/koeln-vonovia-stoppt-500-neubauten-434839

Da man im selben Blatt auch nachlesen kann, dass die GAG neue Wohnungen baut, stellt sich die Frage, warum in den Medien nicht gefordert wird, die GAG wieder zu 100% mit einer neuen Gemeinnützigkeit auszustatten und ihr zur Seite eine weitere städtische gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaft zu stellen.
https://www.rundschau-online.de/koeln/ehrenfeld/bickendorf/koeln-bickendorf-anwohner-kritisieren-baustelle-am-erlenweg-434272

Zum Lesen

Im Februar-Heft des DRAUSSENSEITER ist Christina Bacher ein prima Interview mit Kai Hauprich vom Vringstreff zu Housing First gelungen. Endlich eine Stimme aus der Kölner Wohnungslosenhilfe, die tacheles spricht:

Die meisten Obdachlosen wollen  wohnen wie jeder andere auch.

Die Notunterkünfte und Angebote der Wohnungslosenhilfe werden teilweise als derart bedrohlich und schädigend empfunden, dass sie die Straße vorziehen,

Wir haben uns gesellschaftlich so daran gewöhnt, dass wir den Menschen beim Sterben zuschauen, das wir das für normal halten. Das darf nicht sein.

Es gibt verschiedene Gründe, warum Sozialarbeiter*innen Housing First ablehnen. Ein Grund ist Machtverlust.

Eine Stärke von Housing First ist, dass man sich konsequent fragt, was verbessert werden muss.

Wir haben in Deutschland den Wohnungsmarkt regelrecht gegen die Wand gefahren. Solange nicht mehr Wohnraum geschaffen wird, ändert sich daran nichts grundsätzlich.

Politik und Verwaltung müssen sich zum Ziel machen, dass Obdachlosigkeit nichtmehr nur verwaltet, sondern  überwunden  wird.

Wir individualisieren immer wieder gesellschaftliche Probleme, ohne sie an ihren strukturellen Wurzeln zu packen.

Sendungen, Meldungen, Nachrichten

Ab Minute 10:35 WDR Sendung „markt“ vom 1.2.2023

Endlich ein Zuhause – HOUSING FIRST beim Verein für Gefährdetenhilfe in Bonn
https://www1.wdr.de/fernsehen/markt/sendungen/uebersichtsseite-markt-2112-108.html

Scholz zu Enteignungen: Berliner Grüne und Linke „unverantwortlich“
https://www.tagesspiegel.de/politik/kanzler-scholz-zu-enteignungen-berliner-grune-und-linke-unverantwortlich-9259092.html

Gemeinwohlorientierte Bodennutzung aus Tübinger Perspektive
https://www.boell.de/de/2023/01/24/kommunalpolitische-rahmenbedingungen-fuer-gemeinwohlorientierte-bodennutzung

Soziale Erhaltungssatzung für das Gebiet Ehrenfeld-Ost – Anwohnerbefragung beginnt
https://www.report-k.de/soziale-erhaltungssatzung-fuer-das-gebiet-ehrenfeld-ost-anwohnerbefragung-beginnt/

Wohnungskonzern Vonovia stoppt alle geplanten Neubauprojekte
Das Defizit an Wohnungen lässt sich immer schwieriger beheben. Nun will der Immobilienkonzern Vonovia wegen hoher Baukosten für dieses Jahr geplante Neubauten nicht beginnen. Es rentiere sich bei den jetzigen Mieten nicht. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/wohnungskonzern-vonovia-stoppt-alle-geplanten-neubauprojekte-a-028d72de-893b-4d95-bc90-038ee46b926b

Termine

06.02.2023, 19 Uhr, nächstes Treffen von Recht auf Stadt, Alte Feuerwache,  Offener Treff

06.02.2023, 19:30 Uhr, Bündnistreffen „Genug ist genug“, DGB-Haus

09.02.2023, 14:00 Uhr Protest-Kundgebung vor dem Rat, Theo-Burauen-Platz

14.02.2023, 17 Uhr, Roncalli-Platz One Billion Rising Köln: Weltweiter Aktionstag gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen*       https://onebillionrising-koeln.de/

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

04. Februar 2023
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln

PS
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Verwendungszweck:  Aktionsbündnis

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