Rundbrief 110 vom 5. November 2022

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 110

Drogentote in Kölnfehlende Toilette Masterplan gegen ObdachlosigkeitGesellschaft für innovative SozialforschungLadenlokale leerMehrbettzimmerUnterversorgungZwangsbewirtschaftungWohnungslosenberichterstattungsgesetzSendungen, Medungen, NachrichtenTermine

Drogensucht und Obdachlosigkeit

VISION e.V.. der Kölner Verein für akzeptierende Drogenarbeit, beging am 21. Juli 2022  zum 25. Mal den Gedenktag für verstorbene Drogengebraucherinnen.

„Drogengebraucherinnen besitzen ebenso wie alle anderen Menschen ein Recht auf Menschenwürde. Sie brauchen es sich nicht erst durch abstinentes und angepasstes Verhalten zu erwerben.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Akzeptierende_Drogenarbeit

Insgesamt verstarben in den vergangenen 25 Jahren in Köln 1.190 Frauen und Männer an den Folgen ihres Konsums der illegalisierten Substanzen. Das sind für uns 1.190 mehr als deutliche Argumente für eine Veränderung der Drogenpolitik. Konsumentinnen dürfen nicht weiter kriminalisiert und stigmatisiert werden.(Quelle: Im aktuellen Drogenkurier 131 auf den Seiten 14 und 15)
https://www.vision-ev.de/wp-content/uploads/2022/10/Drogenkurier-131-internet-1.pdf

Am 03. November  2022 hat die Karl Rahner Akademie  unter dem Titel „Masterplan gegen die Not?“ eingeladen Wohnungslosigkeit und Drogensucht zu diskutieren. Angekündigt dazu waren Monika Kleine, SKF, Stefan Lehmann, Gesundheitsamt, Dominik Meiering, Pfarrer, Harald Rau, Sozialdezernent.
https://www.karl-rahner-akademie.de/programm/kurs/Masterplan-gegen-die-Not/22238

Obwohl Klaus Jünschke eine Rede von Sozialdezernent Rau mit „74 Drogentote“ laut kommentierte und Walter Schuch von der Bürgerinitiative Neumarkt nochmal darauf verwies, waren die Drogentoten und die repressive Drogenpolitik für die Teilnehmerinnen auf dem Podium kein Thema.

Stattdessen wurde Herr Rau mit der fehlende Toilette auf dem Neumarkt konfrontiert. Hilflos sprach er zunächst vom fehlenden Geld, dann verwies er auf ein in Arbeit befindliches Toiletten-Konzept der Stadt. Da die Stadt nicht einmal fähig war und ist wenigstens einen WC-Container für den Neumarkt zu mieten, sprach Pfarrer Meiering zu recht von einer Kapitulation der Stadt.

Hauptthema war der sogenannte Masterplan gegen Obdachlosigkeit in der Stadt. Der heißt jetzt inzwischen weniger bombastisch „Konzepte zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit“. Wie damit bis 2030 die Obdachlosigkeit in der Stadt beendet werden kann, ist auch nach dem Vortrag von Herrn Rau offen. Auf die mehrfach von den beiden Frauen von SKM und SKF geforderten zusätzlichen Wohnungen hat Herr Rau keine Antwort. Der Skandal, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG von der Stadt, der sie gehört, keine Flächen in den Neubaugebieten zugewiesen bekommt, wird in der Stadt nicht öffentlich verhandelt.

Wenn es aus der Stadtgesellschaft keine Initiativen gibt, wie bei der Schaffung der Mülheimer Arche mit ihrer Arztpraxis, werden folglich auf unabsehbare Zeit auch weiter obdachlose Drogenkranke aus der JVA in die Obdachlosigkeit entlassen.

Dass sich der Herr Rau selbst nicht auf die mit den vom Sozialdezernat mitfinanzierten Trägern erarbeiteten Konzepte verlässt, hat er der Öffentlichkeit an diesem Abend in der Karl Rahner Akademie vorenthalten.

Die Stadt hat die Bremer Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. „damit beauftragt Lebenslagen und Bedarfe aller obdach- und wohnungslosen Menschen in Köln zu erfassen und damit eine Grundlage für eine zielgruppenorientierte Weiterentwicklung der Hilfen zu schaffen.“ Das Ergebnis dieser Forschung zur Unterstützung des Masterplans und der weiteren Sozialplanung kann frühestens in einem Jahr vorliegen. Dann erst können Rat und Verwaltung über die Umsetzung der Ergebnisse diskutieren und abstimmen.

Walter Schuch von der Bürgerinitiative Neumarkt verwies in der anschließenden Diskussion auf die sechsjährige Arbeit der Initiative und wie folgenlos ihre Vorschläge blieben. Es sei alles schlimmer geworden. Wenn der Konsumraum im Gesundheitsamt um 18:30 schließt – am Samstag schon um 14:30 Uhr und sonntags ist es sogar ganz geschlossen – werden die Nachbarn und die Geschäftsleute mit den Drogenkranken allein gelassen.

Wann es zu einem rund um die Uhr geöffneten Konsumraum kommt und wann endlich die Drogenkonsumräume in Mülheim, Kalk, Chorweiler und auf dem Kölnberg eröffnet werden, wurde auf dem Podium nicht angesprochen. Dabei können nur diese zusätzlichen Konsumräume die Situation am Neumarkt entzerren und entlasten.

Herr Rau verwahrt sich gegen Kritik mit der Behauptung, dass es nicht richtig sei, der Stadt vorzuwerfen, sie tue gar nichts. Als hätte das jemand behauptet.

Überall in der Innenstadt stehen Ladenlokale leer. Wenn die Stadtspitze den Willen hätte, die Obdachlosen von der Straße zu holen und die Drogenkranken effektiv zu unterstützen, hätte sie die Möglichkeit einiges von diesem gewerblichen Leerstand zu Aufenthalten mit Betreuung durch  Sozialarbeiter umzuwidmen, mit sauberen Toiletten und kostenlosem Trinkwasser.

Mit einer abstrusen Psychologie hat Herr Rau an diesem Abend einmal mehr die Obdachlosen verantwortlich für ihr Elend gemacht: „Gewohnheiten geben uns Struktur. Obdachlose haben ihre Struktur, ihre Rituale. Warum schaffen wir es nicht alle in die Unterkünfte zu bringen? Sie müssten ihre Rituale aufgeben.“ Dass viele nicht in die Notunterkünfte gehen, weil sie dort schon mehrfach beklaut wurden, fällt ihm nicht ein. Genauso fehlt die Bereitschaft auf die Abneigung vieler Obdachloser gegen die Unterbringung in Mehrbett-Zimmern mit einem erweiterten Angebot mit abschließbaren Einzelzimmern zu reagieren. 

Pfarrer Meiering in der Schlussdiskussion: „Sie reden sich die Sachen schön“.

Für die Forderung von Vision e.V. nach einer Veränderung der Drogenpolitik gibt es Beispiele: Die  Entkriminalisierung der Drogen in Portugal:
https://www.youtube.com/watch?v=cCNI4rDpBxI

Die Tragweite der Unterversorgung wird noch nicht in ihrer Gänze begriffen


Franco Clemens am 2.11.2022 auf facebook:
Das was an den Tafeln passiert ist eine echte Alarmmeldung. Sie können nicht mehr an alle Bedürftigen Essen verteilen, d.h. die Menschen hungern oder gehen stehlen, bzw. werden kriminell oder landen auf der Straße und verwahrlosen. Der Staat hat sich mit den ehrenamtlichen Suppenküchen seit 2 Jahrzehnten seiner grundgesetzlichen Pflicht entzogen die Grundversorgung selbst zu sichern und das Existenzminimum zu garantieren. Und das ist seit Jahrzehnten einhergehend mit der Agenda 2010 und Hartz IV zu niedrig angesetzt, das haben die Sozialverbände und Kirchen immer wieder gesagt und Experten bestätigt. An den Tafeln stehen aber jetzt nicht mehr nur Obdachlose, Arbeitslose, Armutsrentner, Niedriglöhner, Aufstocker und Alleinerziehende Schlange, sondern jetzt auch Normalverdiener und neue mittellose Flüchtlinge.

Was gedenken der Bund, Land und die Kommunen nun zu tun ? Was tut Köln ?

Geschichte  – Das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz zur Bewältigung der Wohnungsnot

Das Gesetz stellte den gesamten Wohnraum der Bundesrepublik Deutschland unter Zwangsbewirtschaftung durch die örtlichen Wohnungsämter; ausgenommen waren öffentlich geförderte Wohnungen.

Die Wohnungsämter konnten Wohnungssuchende in leerstehende Wohnungen einweisen, aber auch in Wohnungen fremder Personen, sofern diese nach Einschätzung des Wohnungsamtes unterbelegt waren (§ 10).
Es galt ein Zweckentfremdungsverbot (§ 21) sowie ein absolutes Verbot des Abrisses von Wohnungen (§ 22).

Bei einer Kündigung konnte der Mieter besonderen Vollstreckungsschutz in Anspruch nehmen, falls ihm kein Ersatzwohnraum angeboten werden konnte (§§ 30–31)

Der Mietenstopp und das Kündigungsverbot wurden zeitgleich mit Einführung des Wohngeldes als Sozialleistung aufgehoben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wohnraumbewirtschaftungsgesetz

In Köln fehlen 80.000 Wohnungen. Wir haben einen Wohnungsnotstand aber keine Wohnraumbewirtschaftung.
Dafür haben wir seit dem 04.03.202 das Wohnungslosenberichterstattungsgesetz (WoBerichtsG)
https://www.gesetze-im-internet.de/woberichtsg/BJNR043710020.html

Siehe auch:
https://www.berichterstattung-zu-wohnungslosigkeit.de/

Sendungen, Meldungen, Nachrichten

Wie wohnt NRW?
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/video-wie-wohnt-nrw–100.html

GAG erhöht zum Jahresende Tausende Mieten
https://www.ksta.de/koeln/koelner-wohnungsmarkt-gag-erhoeht-zum-jahreswechsel-tausende-mieten-40005324

Mietenstopp in Berlin
https://www.morgenpost.de/berlin/article236714063/Ein-Jahr-Mietenstopp-fuer-340-000-Berliner-Haushalte.html

Hamburg: 100 Jahre Bindung für Sozialwohnungen
https://mhmhamburg.de/blog/news/keine-profite-mit-boden-und-miete-einigung-mit-hamburger-senat

Immer mehr Obdachlose in London
https://www.gmx.net/magazine/politik/obdachlose-london-buergermeister-warnt-teufelskreis-37430304

Das Wirken der Blockade-FDP: Partei der Vermieter
Immer wenn es um Mieterschutz geht, haben die Liberalen Bedenken, wittern zu viel Bürokratie oder spielen auf Zeit. Eine kleine Übersicht.
https://taz.de/Das-Wirken-der-Blockade-FDP/!5891281/

Erbärmlicher Zustand in Notunterkunft für Obdachlose in Rotenburg
https://www.mdr.de/brisant/obdachlos-notunterkunft-rotenburg-100.html

Koalition legt Pläne zu Wohngeld Plus und zweitem Heizkostenzuschuss vor
https://www.das-parlament.de/2022/42/wirtschaft_und_finanzen/916164-916164

Stadt Köln baut 16 Sozialwohnungen
https://www.report-k.de/stadt-baut-in-koeln-porz-sozial-gefoerdertes-mehrfamilienhaus/

Termine

05.11.2022, 11 – 13 Uhr, Kundgebung gegen Leerstand: „Wohnungen für Obdachlose und Geflüchtete“, Ecke Berrenrather Str. / Friedrich Engels Straße

7.11.2022, 19 Uhr, Recht auf Stadt. Offener Treff. Alte Feuerwache

7.11.2022, 20 Uhr, online.  Das Netzwerk Habitologie lädt ein zu „Wohnen ohne Wohnung – Sonderwohnformen zwischen Pathologisierung und Ermächtigung“. https://tuwien.zoom.us/j/96607207762?pwd=SWFiNzR4cERuZUJ5bkNGbytNR3V4Zz09#success

08.11.2022, abends, Was hat die Stadt mit dem Patriarchat zu tun? Ebert-Platz-Passagen, Die Stadtführerin klärt auf.  https://diestadtfuehrerin.com/

10.11.2022,  9 und 14:30 Uhr Rat der Stadt Köln

10.11.2022, 18 Uhr Kundgebung auf dem Otto-Platz
https://koeln-bonn.dgb.de/themen/++co++b57518f6-47cb-11ed-baf8-001a4a160123

10.11.2022, 19: 30 Uhr, 30 Jahre Arsch Huh in der Arena, 5 Euro Tickets in allen Vorverkaufsstellen. Keine Abendkasse

17.11.2022, 15:30 Uhr Sozialausschuss

20.11.2022, von 12:00 bis 15:00, 5. StadtraumSpaziergang – „aus ALT mach NEU“ in Köln Müngersdorf, Veranstaltung von Stadtraum 5 und 4 e.V., Treffpunk: Friedhof Müngersdorf, Kirchhof 4, 50993 Köln

30.11.2022, 19 Uhr, Gefängnis statt Geldstrafe? Karl Rahner Akademie, Jabachstr.3
https://www.karl-rahner-akademie.de/programm/kurs/Gefaengnis-statt-Geldstrafe/22259#inhalt

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

05. November 2022
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln

PS
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Verwendungszweck:  Aktionsbündnis

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