Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 109
Winterhilfe – Lebenserwartung – Privatsphäre – abschließbare Einzelzimmer – Schwarzfahren – Verurteilung – Leerstand – Gewalt gegen Frauen – Niederlande Hausbesetzugen – Protestbewegungen in Köln – 30 Jahre DRAUSSENSEITER – Wohnungslosenbericht – Sendungen, Meldungen, Nachrichten – Termine
Winterhilfe 2022/2023
Die am 14. Januar 2021 vom Sozialausschuss beschlossene Unterbringung aller Obdachlosen in abschließbaren Einzelzimmern wird weiter ignoriert. Wie in der aktuellen Presseerklärung zur Winterhilfe nachgelesen werden kann, lobt sich die Stadtverwaltung ungerührt wie immer:

„Unter der Devise „In Köln muss kein Mensch auf der Straße schlafen“ werden für Menschen ohne eigene Wohnung oder von Wohnungsverlust bedrohte Menschen in Köln seitens der Stadtverwaltung in Kooperation mit den Trägern der Wohnungslosenhilfe und dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) als überregionalem Träger, ganzjährig Hilfen angeboten.“
https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/winterhilfe-20222023
Die sogenannten freien Träger der Winterhilfe, Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) und Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF), loben die Stadt, als würden sie dafür extra bezahlt:
„Die Stadt Köln verfügt über ein qualitativ hochwertiges und differenziertes Regelangebot an Hilfen, das in der Vergangenheit immer in der Lage war, mit neuen Ansätzen neue Notlagen in Bearbeitung zu bringen.“
https://www.skm-koeln.de/stellungnahme-des-skm-koeln-und-des-skf-e-v-2/
Die geringe Lebenserwartung der Obdachlosen auf der Straße ist für diese Katholiken kein Grund das Kölner Hilfesystem, das sie mitverantworten, in Frage zu stellen.
Hauptkommissar Christoph Gilles von der Pressestelle der Kölner Polizei meldet einen deutlichen Anstieg der bekannt gewordenen Attacken gegen Obdachlose in den Pandemiejahren 2020 und 2021 in Köln: 2018 wurden der Polizei 83 Delikte bekannt, ein Jahr später 120 Delikte. 2020 waren es dann 186 und 2021 immer noch 151 Delikte. Über die nicht angezeigten Angriffe auf Obdachlose ist nichts bekannt. Der Zusammenhang mit der Verweigerung abschließbarer Zimmer liegt auf der Hand, wird aber nicht thematisiert. Die Stadt ist ja gut aufgestellt und kann dafür nicht verantwortlich sein.
https://www.t-online.de/region/koeln/news/id_91792062/gewalt-gegen-obdachlose-in-koeln-das-sind-nicht-alle-junkies-und-alkis-.html
Im 1. Fachkolloquium zur nachhaltigen Bekämpfung der Wohnungslosigkeit hat die Stadt Köln Dr. Luisa Schneider eingeladen und sie über die Bedeutung des Grundrechts auf Privatsphäre und Intimität vortragen lassen.
https://www.stadt-koeln.de/artikel/71903/index.html
Auch das Bayrische Fernsehen hat Luisa Schneider die Gelegenheit gegeben zu erklären, was es für Obdachlose bedeutet ein Leben ohne Privatsphäre leben zu müssen.
https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/campus/obdachlose-leben-ohne-privatsphaere-luisa-schneider-campus-talks-100.html
und
https://www.br.de/mediathek/video/dr-luisa-schneider-leben-ohne-privatsphaere-was-wohnungslose-ueber-unsere-gesellschaft-sagen-av:5f11b626dd0a03001c200383
Alle in Köln, die beruflich von der Verwaltung der Obdachlosen und der Wohnungslosen leben, hätten spätestens nach dem Beitrag von Luisa Schneider im 1. Fachkolloquium für die Unterbringung aller Obdachlosen in abschließbaren Einzelzimmer öffentlich eintreten müssen. Das Kölner Hilfesystem, das Privatsphäre und Intimität verweigert, ist übergriffig und mitverantwortlich dafür, dass die Obdachlosen auf der Straße leiden und so früh sterben.
Die Kölner Medien, die immer nur die Presseerklärungen der Stadt abschreiben und das nicht skandalisieren, machen sich mitschuldig.
Menschenwürdige Unterbringung von Obdachlosen: Die fragwürdige Auffassung der Stadt Köln
https://www.raschlosser.koeln/menschenwuerdige-unterbringung-von-obdachlosen-die-fragwuerdige-auffassung-der-stadt-koeln
Für 11 mal ohne Ticket fahren soll Gisa eineinhalb Jahre in den Knast
Die Düsseldorfer Straßenzeitung fiftyfifty berichtet:
Gisa ist 56 Jahre alt, verkauft seit vielen Jahren die fiftyfifty und begeisterte u.a. viele Hundert Menschen bei „Straßenleben“ – einem Projekt von fiftyfifty und dem Kulturzentrum zakk, bei dem ehemalige Obdachlose als Stadtführer*innen Düsseldorf zeigen.
Gisa ist seit Jahrzehnten suchtkrank, sie hat früher Heroin genommen und ist seit vielen Jahren im Methadonprogramm. Im Frühjahr 2019 ist Gisa zwei Mal ohne gültiges Ticket mit der Bahn gefahren und hat dafür eine Haftstrafe von sechs (!) Monaten auf Bewährung bekommen. Sie fährt auch danach noch mehrfach ohne Ticket, oft zur Methadonambulanz. Was soll sie tun? Das Arbeitslosengeld II vorne und hinten nicht reicht. Sie bekommt dafür nochmal eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Im Frühjahr 2022 wird sie wieder ohne Fahrausweis erwischt. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf widerruft die Bewährung von sechs Monaten, d. h. sie muss jetzt für ein halbes Jahr in Gefängnis. Auch die zweite Bewährungsstrafe soll jetzt widerrufen werden. Gisa soll insgesamt für eineinhalb Jahre in Haft für 11 Mal ohne gültiges Ticket fahren!
Der Schaden, der den Verkehrsbetrieben entstanden ist, beläuft sich auf 33 Euro. Ein Hafttag in NRW kostet im Durchschnitt 178,91 Euro, das macht bei 18 Monaten Haftzeit fast 100.000 Euro! Gisa hat sich bei fiftyfifty Hilfe organisiert, sie hat betreutes Wohnen beantragt und möchte statt der Haft eine ambulante Therapie machen – das hat die Staatsanwaltschaft aber abgelehnt. Gisa hat einen Hund, Balu, den müsste sie abgeben und auch ihre Wohnung würde sie verlieren. Nach 18 Monaten Haft kommt ein Mensch aus dem Gefängnis, der ohne suchtkrank zu sein, niemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen wäre. Gisa. Dann ohne Wohnung, mit viel schlechterer Lebensperspektive, ohne ihren Hund…
Macht es Sinn, Gisa einzusperren?! @therealjanboehmermann hat eine Haltung dazu: https://www.youtube.com/watch?v=iWX3pqbidKk
Das Aktionsnetzwerk „Tasche leer – Schnauze voll!“ organisierte am 27.10.2022, um 09.00h eine Solidaritätskundgebung für Gisa! Kommt alle
Gisa ist frei!
Beim Gerichtstermin heute ist Gisas Bewährung nicht widerrufen worden.
Ihr drohte eine Haftstrafe von einem Jahr wegen Fahrens ohne gültiges Ticket in mehreren Fällen. Der zuständige Richter ließ sich heute überzeugen, dass Gisa eine positive Sozialprognose hat. Mit Unterstützung von fiftyfifty schließt Gisa jetzt ein Abo für ein Monatsticket ab. Die Gefahr ist aber noch nicht komplett gebannt: Gisa soll immer noch für sechs Monate in Haft, weil sie zwei Mal ohne Ticket erwischt wurde. Allein diese Verurteilung ist absurd! Hier hat ihr Anwalt einen Antrag auf Therapie statt Strafe gestellt, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft steht allerdings noch aus.
Vor dem Gerichtsgebäude protestierten über 40 Menschen auf einer Kundgebung des Aktionsnetzwerkes „Tasche leer – Schnauze voll!“ gegen eine Verurteilung von Gisa, für ein dauerhaftes 9-Euro Ticket und grundsätzlich für die Abschaffung der Haftstrafen wegen „Erschleichen von Leistungen“. Niemand soll in den Knast, weil er sich das Ticket nicht leisten kann!
Gisa und das ganze Team von fiftyfifty freuen sich riesig über diesen Teilerfolg und danken allen, die heute Morgen da waren und ihre Solidarität mit Gisa gezeigt haben!
Leerstand?
Der Stadt-Anzeiger berichtete am 25. Oktober 2022, dass 2021 die Einwohnerzahl von Köln um 8.739 Menschen gesunken ist. Zwar sind im vergangenen Jahr 47.205 nach Köln gezogen, aber 56.797 haben Köln verlassen.
In Köln fehlen 80.000 Wohnungen.
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
In einem Bericht hat der Europarat Deutschland »gravierende Defizite« beim Gewaltschutz für Frauen attestiert. Expertin Johanna Nelles erklärt, wo die größten Probleme liegen und welche Schritte die Politik nun gehen muss.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bericht-des-europarats-zu-gewaltschutz-fuer-frauen-endet-das-im-schlimmsten-fall-mit-dem-tod-a-33b9b2e8-82e8-4ece-80c3-4ca171b25111
In Köln müsste es fünf Frauenhäuser geben.
Aus unserer Geschichte
Bis 2010 wurden in den Niederlanden Hausbesetzungen geduldet, wenn die besetzten Häuser über ein Jahr leer standen
https://www.verbietet-das-bauen.de/leerstand-teil-3/
Tür aufbrechen, Möbel rein, fertig ist die neue WG: In den Niederlanden besetzen Tausende „Squatter“ leerstehende Wohnungen. Bislang ist das legal, doch ab Oktober drohen Haft und Rauswurf. Ausziehen wollen die jungen Häuserkämpfer trotzdem nicht.
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/umsonst-wohnen-in-holland-notfalls-lasst-euch-verhaften-a-718657.html
Werft eure Geschichte nicht weg
http://afas-archiv.de/werft-eure-geschichte-nicht-weg/
Protestbewegungen in Köln seit 1945
https://www.koelnarchiv.de/
Interview mit Christina Bacher: 30 Jahre DRAUSSENSEITER
https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/die-stimme-der-strasse-christina-bacher-ist-chefredakteurin-vom-draussenseiter-deutschlands-aeltester-strassenzeitung-swr2-tandem-2022-10-17-100.html
Erste Obdach- und Wohnungslosenzählung in Deutschland
Befunde des ersten Wohnungslosenberichts der Bundesregierung auf Basis amtlicher Daten liegen vor
https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/befunde-des-ersten-wohnungslosenbericht-der-bundesregierung-auf-basis-amtlicher-daten-liegen-vor/
Berichterstattung zu Wohnungslosigkeit
https://www.berichterstattung-zu-wohnungslosigkeit.de/
Sendungen, Meldungen, Nachrichten
Abstimmung steht an. Köln will „Russenhäuser“ enteignen
Die Obdachlosigkeit in New York erreicht immer neue Höchstwerte, die Zahl der hilfsbedürftigen Zuwanderer steigt. Die Stadt steckt mitten in einer humanitären Krise.
Sechstausend Jahre Stadtgeschichte
https://www.perlentaucher.de/buch/ben-wilson/metropolen.html
Bündnis protestiert gegen die Zwangsräumung eines 64-Jährigen aus seiner Wohnung in
Steglitz
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168023.verdraengung-langzeitmieter-oder-schwiegermutter.html
Termine
29.10.2022, 11 – 13 Uhr, Kundgebung gegen Leerstand: „Wohnungen für Obdachlose und Geflüchtete“, Ecke Berrenrather Str. / Friedrich Engels Straße
2.-6.11.2022, European Action Coalition fort he right to Housing and City. Athen
www.housingnotprofit.org
03.11.2022, 19 Uhr, Masterplan gegen die Not? Diskussion zur Wohnungslosigkeit und Drogensucht. Mit Monika Kleine, SKF, Stefan Lehmann, Gesundheitsamt, Dominik Meiering, Pfarr, Harald Rau, Sozialdezernent. Karl Rahner Akademie, 5 €
https://www.karl-rahner-akademie.de/programm/kurs/Masterplan-gegen-die-Not/22238
08.11.2022, abends, Was hat die Stadt mit dem Patriarchat zu tun? Ebert-Platz-Passagen, Die Stadtführerin klärt auf. https://diestadtfuehrerin.com/
10.11.2022, 9 und 14:30 Uhr Rat der Stadt Köln
10.11.2022, 18 Uhr Kundgebung auf dem Otto-Platz
10.11.2022, 19: 30 Uhr, 30 Jahre Arsch Huh in der Arena, 5 Euro Tickets in allen Vorverkaufsstellen. Keine Abendkasse
17.11.2022, 15:30 Uhr Sozialausschuss
20.11.2022, von 12:00 bis 15:00, 5. StadtraumSpaziergang – „aus ALT mach NEU“ in Köln Müngersdorf, Veranstaltung von Stadtraum 5 und 4 e.V., Treffpunk: Friedhof Müngersdorf, Kirchhof 4, 50993 Köln
30.11.2022, 19 Uhr, Gefängnis statt Geldstrafe? Mit Dr. Nicole Bögelein Karl-Rahner-Akademie, Jabachstr.4
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut
29. Oktober 2022
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln
PS
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