Das Ordnungsamt abbauen

Die Kölnische Rundschau berichtete am 14.Januar 2016 vom Neujahrsempfang der Deutschen Bank unter „Verschlankung und Harmonisierung“, dass weitere Filialen geschlossen werden. Dazu passte, dass die mit Beifall begrüßte Oberbürgermeisterin Henriette Reker mehr Personal für Polizei und Justiz forderte.

Zudem lud sie die Anwesenden ein, mit ihr den Wirtschaftsstandort Köln zu stärken, denn dies sei die „eindrucksvollste Sozialpolitik, die es gibt“.
https://www.rundschau-online.de/regi Übon/koeln/-verschlankung-und-harmonisierung–deutsche-bank-schliesst-filialen-in-koeln-23451856

Die von Frau Reker geförderte Stärkung des Wirtschaftsstandorts Köln wurde nicht zur „eindrucksvollsten Sozialpolitik, die es gibt.“ Mangels Platz mussten die beiden Frauenhäuser jährlich Hunderte schutzsuchende Frauen abweisen, die Zahl der Drogentoten erreichte 2021 mit 54 eine neuen Höchststand, die Zahl der Sozialwohnungen sank von Jahr zu Jahr und die Zahlen der Wohnungslosen und Obdachlosen nahmen zu.

Spiegel-TV hat dieser Not und diesem Elend in Köln Gesichter gegeben und obdachlose Drogenkranke interviewt und durch ihren Alltag mit Kameras begleitet.
 https://www.tvnow.de/shows/hartes-deutschland-16120/2022-08/episode-6-koeln-2-4928192?utm_source=rtl2.de&utm_medium=teaserbox&utm_campaign=folgenswiper&utm_term=hartes-deutschland-leben-im-brennpunkt&format=Hartes%20Deutschland%20-%20Leben%20im%20Brennpunkt

In dieser zweistündigen Sendung beschwert sich eine Drogenkranke über Mitarbeiter des Ordnungsamts, weil sie von denen mit lautem Gebrüll zum Verlassen der Treppe aufgefordert wurde, auf der sie saß. Sie fragt, warum die das nicht in einem anständigen Ton sagen können.

Polizeireporter Alexander Holecek interviewte Wolfgang Büscher (65), den in Rente gehenden Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Köln am 17.08.2022 im Kölner Stadt-Anzeiger.  Das Interview in der Print-Ausgabe hatte den Titel: „Mit mir ging es immer locker zu“.  Der Titel der online-Ausgabe: „Ordnungsamt ist kein Zuckerschlecken.
https://www.ksta.de/koeln/koelner-amtsleiter-im-interview–ordnungsamt-ist-kein-zuckerschlecken–39900724

Wolfgang Büscher: „Ich kenne keine einzige Mitarbeiterin und keinen einzigen Mitarbeiter, die oder der willkürlich handelt.“

Das Interview mit dem Chef des Ordnungsamtes in der Kölnischen Rundschau hat den Titel „Die Respektlosigkeit in Köln nimmt zu“
https://www.rundschau-online.de/region/koeln/chef-des-ordungsamts-im-interview–die-respektlosigkeit-in-koeln-nimmt-zu–39901036

Ob die zunehmende soziale Ungleichheit und eine unzureichende Sozialpolitik damit etwas zu tun haben könnte, wird im Blatt nicht erörtert.

Dafür erfahren die Leserinnen, dass die seit Jahren geplante Aufstockung der Zahl der Außendienstmitarbeiterinnen des Ordnungsamtes von 200 auf 300 Stellen noch nicht erreicht werden konnte.

Es wird nicht gefragt, wieso es nötig ist,

die Zahl der Außendienstmitarbeiter von 200 auf 300 zu erhöhen.

„In Nordrhein-Westfalen sind Kommunale Ordnungsdienste auch unter der Bezeichnung Stadtwacht seit Ende der 1990er Jahre vor allem in den größeren Städten des Landes eingerichtet worden, was als Reaktion der Städte und Gemeinden auf vermeintlich zunehmende Sicherheitsprobleme im urbanen Umfeld (offene Drogenszene, Verwahrlosungstendenzen, Straßenkriminalität, mangelnde Stadtsauberkeit) und die gleichzeitig schwindende Präsenz der staatlichen Polizei gewertet werden kann.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Ordnungsamt

In diesen Jahren sind auch die privaten Sicherheitsdienste gewachsen. Mit ihnen arbeitet das Ordnungsamt regelmäßig zusammen.

Im zitierten wikipedia-Artikel wird von „vermeintlich zunehmende Sicherheitsprobleme im urbanen Umfeld“ gesprochen, nicht von zunehmender Armut, zunehmendem Leistungsdruck, zunehmenden Deklassierungen. Und schon gar nicht von deren Ursachen, dem Konzentrationsprozess des Kapitals.

Der kritische Kriminologe Fritz Sack stellte in einem Interview fest: „Es ist höchst erstaunlich, in welcher Weise gerade die Sicherheitspolitik kein kontroverses Thema mehr ist.“ Und er erklärt: „Aber da ist immer noch der Gedanke, dass Sicherheitspolitik gegen Sozialpolitik oder Wirtschaftspolitik sozusagen auszubalancieren ist, und dass das in Grenzen kommunizierende Röhren sind: Je mehr du die Sicherheitspolitik hochfährst, umso mehr fährst du das andere runter. Und da spielt natürlich wieder Gerhard Schröder eine herausragende Rolle…  …Schröder hat die Sozialpolitik runtergefahren. Der hat sie in einer Weise runtergefahren, wie es offensichtlich – und wie man mehr und mehr von Ökonomen hört – nicht notwendig gewesen wäre, um die Wirtschaftskraft zu stärken und zu forcieren.“
https://www.heise.de/tp/features/Die-Herrschaft-ueber-die-Wirklichkeit-hat-die-Polizei-3849174.html?seite=2

Angesichts der steigenden Mieten, der steigenden Energiekosten, der steigenden Lebensmittelkosten, zeigt ein Blick in die USA, wohin der weitere Sozialabbau führt.
Tausende Obdachlose und Drogenkranken auf den Straßen der Großstädte und eine militarisierte Polizei, die sich im „Krieg gegen das Verbrechen“ sieht.

Der Soziologieprofessor Alex Vitale ist der Vordenker einer Idee, die in den USA gegen diese Entwicklung entstand: die der Abschaffung der Polizei:
„Es braucht eben Zeit und Raum, um den politischen Willen aufzubauen. Und wir müssen auch erst einmal die alternativen Strukturen aufbauen. Wir müssen Gemeindezentren errichten, Programme zur Gewaltprävention und Infrastrukturen rund um psychische Gesundheit schaffen, Wohnungsinitiativen unterstützen. Und während wir diese Dinge aufbauen, können wir die Polizei abbauen.“
https://www.woz.ch/-ab64

29. August 2022
Klaus Jünschke

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