Rundbrief 131 vom 31. März 2023

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 131


ObdachlosenunterkunftWahrnehmung von Obdachlosen„Giuliani-Politik“Urteil zu UnterbringungHausbesetzungWir sind die absolute MehrheitKüppersbusch zur WohnungsfrageSendungen, Meldugen, NachrichtenTermine



Familie Wienands  und die Mindeststandards in der Unterbringung Obdachloser


„Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“ (Bärbel Bohley)

Entgegen der bisher bundesweit üblichen Rechtsprechung hatte das Kölner Verwaltungsgericht im Januar entschieden, die Stadt Köln müsse einer obdachlosen Mutter mit fünf Kindern eine Wohnung in der Nähe ihres bisherigen Wohnortes zu Verfügung stellen. Die Unterbringung in einem Obdachlosenhotel sei nicht menschenwürdig. Am Geld dürfe die Suche nach einer geeigneten Wohnung nicht scheitern.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat diese Entscheidung kassiert und der Stadt rechtgegeben, die Familie Wienands in Ehrenfeld in einer Obdachlosenunterkunft unterbringen wollte. Kabarettist Jürgen Becker hatte bei der Protestkundgebung gegen die Zwangsräumung der Familie vor dem Rathaus erklärt, dass es überhaupt nicht gehe, eine Familie mit fünf kleinen Kindern in einer Unterkunft zusammen mit Alkohol- und Drogenkranken unterzubringen.


Das Oberverwaltungsgericht in Münster steht für die bisherige Tradition, die dazu geführt hat, dass die Lebenserwartung Obdachloser 30 Jahre geringer ist, als im Bundesdurchschnitt. Diese Rechtsprechung sieht in der „Obdachlosenfürsorge“ mit fest geschlossen Augen nur eine vorübergehende Notlösung, obwohl viele Menschen Jahre in diese „Notlösungen“ zubringen müssen. Obdachlose Menschen müssen aus dieser Sicht, die nichts sieht, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen. Entstanden ist diese Haltung in der Nachkriegszeit, als Deutschland noch in Trümmern lag. Heute gehört Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt und es ist an der Zeit nach den längst beseitigen Trümmern auch die Wahrnehmung von Obdachlosen als Menschen minderen Rechts zu entrümpeln.

Rechtsanwalt Karl-Heinz Ruder weist in seinen öffentlichen Stellungnahmen immer wieder darauf hin, dass die Vorgaben der Gerichte immer nur Mindestanforderungen sind, die von den Kommunen überboten, verbessert und erweitert umgesetzt werden können. Sozialdezernent Rau hat dagegen orakelt, dass im Deutschen Städtetag die Absenkung der Mindeststandards in der Diskussion sei. In Köln kann man das scheinbar kaum erwarten.

Am 23.2.2023 fand das Treffen des AK Obdachlosigkeit der Interessengemeinschaften der Innenstadt  mit Sozialamtsleiterin Katja Robinson zum „Kölner Konzept gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ im „Veedelszimmer Eigelstein“ statt. Im Protokoll ist zu lesen:

„Für die Trinkerszene aus EU-Ländern ist nicht das Sozialamt zuständig, sondern die Polizei, das Ausländeramt und/oder der Ordnungsdienst. Da müsse man auch in Richtung „Giuliani-Politik“ gehen, um Pull-Effekte zu vermeiden.“

Wer Giuliani und Obdachlose googelt, kommt auf solche Meldungen:
https://www.berliner-zeitung.de/die-zahl-der-obdachlosen-in-new-york-steigt-unaufhaltsam-nun-will-buergermeister-giuliani-nur-noch-jenen-hilfe-gewaehren-die-dafuer-arbeiten-saubere-strassen-fuer-manhattan-li.41403

Mit uns ist das nicht zu machen.

Pressestimmen:

Stadt Köln darf Obdachlose in Hotels unterbringen
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/stadt-koeln-darf-obdachlose-in-hotels-unterbringen-100.html

Gericht hält Unterbringung von Kölner Mutter mit fünf Kindern in Obdachlosenhotel für zumutbar
https://www.ksta.de/koeln/beschluss-gericht-haelt-unterbringung-von-koelner-mutter-mit-fuenf-kindern-in-obdachlosenhotel-fuer-zumutbar-540289

Nach Zwangsräumung in Köln
Gericht spricht Urteil zu Unterbringung von obdachloser Familie
https://www.express.de/koeln/unterbringung-von-obdachloser-familie-in-koeln-urteil-gefaellt-1-540392

Familie Wienands ist kein Einzelfall

Dr. Benjamin Limbach, der Justizminister von NRW, hat dem Landtag auf eine kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Lena Teschlade und Jochen Ott am 19.09.2022 mitgeteilt, dass in Köln 2020 1.728 Wohnungen zwangsräumt wurden, im Jahr 2021 waren es 1589.  

Hausbesetzung

Sozialistische Selbsthilfe besetzt Mehrfamilienhaus Köln
Dieses Haus steht seit über 20 Jahren leer“, sagt Kippe. „Dabei ist Artikel 14 unseres Grundgesetzes festgeschrieben, dass Eigentum verpflichtet.“ Immer mehr Menschen
würden auf der Straße leben. „Die durchschnittliche Lebenserwartung der Bürger liegt bei über 70 Jahren, die der Obdachlosen bei 48“, so Kippe. „Dass die Stadt die Obdachlosigkeit nicht beseitigt, bedeutet Totschlag im Amt durch Unterlassen.“ https://www.ksta.de/koeln/lindenthal/lindenthal-veedel/koeln-russisches-geisterhaus-sozialistische-selbsthilfe-besetzt-mehrfamilienhaus-539400

Rede von Kalle Gerigk:
https://www.youtube.com/watch?v=11ZZPUHcDmU   

Häuser der Russischen Föderation in Köln: Kundgebungen und Besetzung
https://www.report-k.de/haeuser-der-russischen-foederation-in-koeln-kundgebungen-und-besetzung/

Frank Überall: Russen-Haus in Köln besetzt: Wohnungen stehen lange leer
https://www.kivvon.com/de/ueberall-dabei/russen-haus-in-koeln-besetzt-wohnungen-stehen-lange-leer


Mietrebellen auf der Straße
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172006.mieterproteste-housing-action-days-mietrebellen-auf-der-strasse.html

Warum ein wohltätiger Investor die „Russenhäuser“ kaufen will
https://www.t-online.de/region/koeln/id_100151090/koelner-russenhaeuser-kauft-nun-ein-investor-die-leerstehenden-gebaeude-.html

Ein Wort zu Ostern: Wir sind die absolute Mehrheit!

Vielleicht passiert ein Wunder, und die Mehrheiten, die Nichtkapitalisten, die Selbstständigen und Arbeitenden, die Mutlosen und Kraftlosen, die Dienstleisterinnen und Ausgesteuerten, die RentnerInnen und die mit den für Rudi und Waltraud fremd klingenden Namen, die Alten und Jungen hören auf, einander für ihre Meinungen zu hassen. Sie lesen keine Texte mehr in denen eine Gruppe beschimpft wird, sie beginnen miteinander zu reden, in den Schlangen vor den Mietobjekten, auf der Arbeit oder der Arbeitssuche – und werden solidarisch. Schneller als die Überwachung, die gerade mit Hochdruck ausgeweitet wird, um kommende Aufstände zu verhindern, könnten sich viele Zellen des Unmuts bilden, des zivilen Ungehorsams, sich dem Schicksal, das das System für die Massen vorgesehen hat, zu ergeben. Sie könnten in Regierungsgebäuden und davor kampieren, die Häuser besetzen und in den Fluren der Investmentfirmen Tofu braten, bi sein paar maßgebende Gesetze verabschiedet würden, die Mietshäuser in Genossenschaften überführen, Spekulation mit einem der Grundrechte, dem auf menschenwürdiges Wohnen (Artikel 25, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte), verbieten, die Städte und Dörfer wieder denen übereignen, die darin leben.
(Sibylle Berg in Die Zeit vom 16. März 2023, S. 47)

Friedrich Küppersbusch zur Wohnungsfrage, die ihm die taz stellte

Taz: Bauministerin Klara Geywitz rät Menschen, aufs Land zu ziehen, weil in Städten der Wohnraum knapp ist. Ist diese Maßnahme effektiver als ein Mietendeckel oder die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne?

Friedrich Küppersbusch: Das wird lustig, wenn Dörfler beim fernen Supermarkt anrufen – und der Anruf beim anderen Dörfler nebenan im Homeoffice landet. Dann setzt sich in der Stadt ein Lkw mit einer Dose Joghurt in Bewegung gen Land. Wahrscheinlich bringen sie einen Hausarzt und einen Kindergarten gleich mit. Landflucht ist eine Option für Besserverdienende, die das Umland der Großstädte eh schon preisverdorben haben. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterbund fordert deshalb ein 50-Milliarden-Programm für Sozialwohnungen, also einen bescheidenen Halbwumms. Denn während die Ampel ihr Ziel – 100.000 vergünstigte Wohnungen pro Jahr – gründlich reißt, verschwindet statistisch alle 19 Minuten eine Sozialwohnung. Vermutlich aufs Land. Der naturreligiöse Glaube an den Markt scheint unausrottbar. Also bitte: Wer an den Markt glaubt, glaubt an Konkurrenz. Zum Beispiel staatliche.
https://taz.de/Halbe-China-Woche-volle-Verantwortung/!5922001/

Sendungen, Meldungen, Nachrichten

Frontal Spezial: Teuer Wohnen. 28. März 2023, 21 Uhr

phoenix plus: „Ganz unten – Wege aus der Armut“
Ein Beitrag auf PHOENIX, in dem Hans Mörtter mit Menschen spricht, die von Armut und/oder Wohnungslosigkeit betroffen sind. Ab Minute 10:05 bei uns im Vringstreff, ab Minute 18:00 mit einem Mieter aus unserem Housing First Köln-Projekt. DANKE an Mona Heck und Inge Swolek von PHOENIX für ihre Reportage voll Respekt und auf Augenhöhe!
https://www.youtube.com/watch?v=l7_xbzVCSFQ

Die Platte sieht gut aus
Von der DDR lernen, heißt bezahlbare Wohnungen bauen
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171992.stadtentwicklung-die-platte-sieht-gut-aus.html

Ausschüsse befassen sich mit geänderter Wohnraumförderung 2023
Die Mitteilung der Stadtverwaltung wird am 18. April im Unterausschuss Wohnen, am 20. April im Ausschuss für Soziales, Seniorinnen und Senioren, am 24. April im Liegenschaftsausschuss, am 4. Mai im Stadtentwicklungsausschuss und am 8. Mai im Bauausschuss beraten.
https://www.report-k.de/ausschuesse-befassen-sich-mit-geaenderter-wohnraumfoerderung-2023/

Die Künstlerin Rosemarie Trockel verkauft ihre Villa in Köln-Hahnwald für 6,5 Millionen https://www.express.de/koeln/koeln-villa-von-kuenstlerin-rosemarie-trockel-auf-immowelt-540039

In den USA lebt jeder 17. im Wohnwagen. In Berlin hat ein verurteilter Betrüger die Wohnungsnot zum Geschäftsmodell gemacht und Container und alte Wohnwagen an Wohnungssuchende vermietet.
https://www.focus.de/panorama/welt/illegaler-trailerpark-verurteilter-betrueger-macht-die-berliner-wohnungsnot-zu-geschaeftsmodell_id_189215245.html

WG-Zimmer für Studentinnen kaum noch bezahlbar
https://www.rundschau-online.de/koeln/koeln-liegt-im-staedtevergleich-auf-platz-5-wg-zimmer-in-nrw-werden-teurer-541388

Als erste Branche fällt die Bauwirtschaft der Geldpolitik zum Opfer
Das Statistische Bundesamt meldete vergangene Woche, dass die (preisbereinigten) Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe im Januar 2023 um sage und schreibe 21 Prozent unter ihrem Vorjahreswert lagen (Abbildung 1).
Am stärksten ist der Wohnungsbau betroffen (Abbildung 3), den Deutschland nach den Aussagen unserer Politiker so dringend braucht: Gegenüber März vergangenen Jahres verzeichnet diese Sparte einen Rückgang bei den Aufträgen von einem Drittel.
https://www.relevante-oekonomik.com/2023/03/29/als-erste-branche-faellt-die-bauwirtschaft-der-geldpolitik-zum-opfer/

Termine

03.04.2023, 19 Uhr, Recht auf Stadt, Offener Treff, Alte Feuerwache

13.04.2023, 9:30 Uhr, Kundgebung gegen Zwangsräumung, Seidenstr.4, 51063 Köln

15.04. 11 Uhr, Kundgebung gegen Leerstand

20.04.2023, 15:30 Uhr, Sozialausschuss


21.04.2023. 13 – 15 Uhr Digitaler Workshop: Versorgung von Menschen aus dem EU-Ausland ohne Sozialleistungsansprüche in Deutschland. Anmeldung über den link
https://ssl-sug.carinet.de/slus/anmeldeseite-kagw-21-04-23-versorgung-von-menschen-aus-dem-eu-ausland-ohne-sozialleistungsansprueche-in-deutschland

16. Mai 2023, 15:30 Uhr, Rat

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

31.März  2023
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln

PS
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