Rundbrief 132 vom 8. April 2023

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 132


ZwangsräumungObdachlosigkeitDefensive ArchitekturWohnungsnotSolidaritätNetzwerktreffenzum LesenSendungen, Meldungen, NachrichtenTermine


Kundgebung gegen Zwangsräumung
13. April 2023, 9:30 Uhr Seidenstr. 4, Köln-Mülheim

Die Sprache des Eigentums vermittelt, wer in der Stadt das Sagen hat.

Ein Auszug aus dem Schreiben der Gerichtsvollzieherin vom 6. März 2023 in dieser „Zwangsvollstreckungssache“:

„Die Besitzeinweisung werde ich am Donnerstag, den 13. April 2023, um 10 Uhr vornehmen

Auch ohne weitere richterliche Anordnung bin ich befugt, verschlossene Türen und Behältnisse gewaltsam zu öffnen sowie einen etwaigen Widerstand mit Hilfe der Polizei zu brechen. Nach Besitzeinweisung sind Sie nicht mehr befugt, die Räumlichkeiten zu betreten.

Ihre anderweitige Unterbringung ist nicht Sache des Gerichtsvollziehers. Das zuständige Ordnungsamt hat von der Räumung Kenntnis erhalten.“

Angesichts von über 1000 jährlichen Zwangsräumungen hat die Stadt am 5. April 2023 bekannt gegeben, dass die Beratung von Mietern, die von Zwangsräumungen bedroht sind, ausgeweitet wird:
https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/mitteilungen/25691/index.html

Eine Frage zur Obdachlosigkeit an Ken Loach und Eduard Louis

Ich habe mehr als sieben Jahre mit Obdachlosen gearbeitet und möchte gern wissen, wie Sie die Situation der Obdachlosen in England sehen, einem der reichsten Länder der Welt. Kümmern sich die Regierungen genügend um diese Frage?

Ken Loach: Hm, sie kümmern sich eher um den Immobilienmarkt. Die Obdachlosen sind ihnen egal. Die Vorstellung, der Markt würde allein durch sein Wachstum für mehr Wohnungen sorgen, ist natürlich ein Irrtum. Die Wohnungen werden ja nicht dafür gebaut, damit Leute in ihnen wohnen können, sondern um sie zu verkaufen und weil ihr Wert sich zu steigern verspricht. Heutzutage leben in England, Sie wissen das sicher noch besser als ich, rund 130000 Kinder in provisorischen Unterkünften…Ich will da keine politische Partei ergreifen – nein, in Wirklichkeit will ich natürlich parteilich sein -, aber es ging doch unbedingt darum, dass die Gemeinden Sozialwohnungen bauen, niedrigschwellige Zentren der Gesundheitsfürsorge oder Schulen…Genau das täte not. Dinge, die das Leben lebenswert machen, verstehen Sie?  Ich denke, solche Infrastruktur zu schaffen ist die  einzige Lösung, aber mit den vorhandenen Regierungen ist das unmöglich, das weiß man ja.

Eduard Louis: Die Situation in Frankreich ist ungefähr dieselbe. Überall sieht man Leute auf der Strafe schlafen…Seltsam eigentlich, denn diese Form der Gewalt sticht doch total ins Auge, und auf der anderen Seite bewegt sie kaum noch jemanden. Das erinnert an das, was Ken gesagt hat: Die Herrschenden wissen, dass sie Gewalt ausüben. Für die Politik, aber auch für die Kunst, stellt ich also diese Frage: Welche Werkzeuge soll man einsetzen, wenn die sichtbare Not allein nicht mehr genügt, um diejenigen, die an der Macht sind, zur Reaktion zu zwingen? Wenn das Problem nicht darin besteht, etwas zu zeigen, wie es das Beispiel der Obdachlosen beweist, sondern darin, dafür zu sorgen, dass die Leute sich mit dem konfrontieren, was sie bereits wissen – aber lieber ignorieren?

Ken Loach: Ich denke, wir müssen uns diejenigen, die an der Macht sind, vom Hals schaffen?

Eduard Louis: Ja, natürlich, sie zur Reaktion zwingen, das kann auch bedeuten, sie zu verjagen, da hast du recht.

Ken Loach: Sie werden sich nie ändern.

Eduard Louis: So viel ist gewiss.
(Eduard Louis, Ken Loach: Gespräch über Kunst und Politik. Frankfurt am Main 2023, S. 34ff.)

Defensive Architektur –  Anti-Obdachlosen-Architektur

Am 2.April 2023 wurde bekannt, dass mit Metallspitzen Obdachlose in Wuppertal am Schlafen gehindert werden sollen. Die Citykirche nennt es, was es ist:  menschenverachtend
https://www.wz.de/nrw/wuppertal/metallspitzen-sollen-obdachlose-in-wuppertal-am-schlafen-hindern-citykirche-empfindet-das-als-menschenverachtend_aid-87763741

Überall werden die Armen bekämpft, statt die Armut zu bekämpfen. Was sich Städte und Gemeinden und Geschäftsleute alles einfallen lassen, berichtet ein Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Defensive_Architektur

Wohnungsnot als Forschungsfeld

Forschungsnetzwerk Wohnungslosigkeit und Gesundheit an der Charité
Das Forschungsnetzwerk Wohnungslosigkeit und Gesundheit an der Charité hat sich zum Ziel gesetzt, die methodischen und inhaltlichen Forschungskompetenzen an der Charité für gesundheitsbezogene als auch versorgungsrelevante Aspekte wohnungsloser Menschen bzw. Menschen mit Wohnschwierigkeiten stärker zu verbinden und sichtbar zu machen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Bereich sollen vernetzt, Studierende und Doktorandinnen und Doktoranden stärker unterstützt werden. Auch über die Charité hinausgehende nationale sowie internationale Vernetzungen und gemeinsame Forschungsaktivitäten sind Teil des Netzwerkes.
https://wohnungslosigkeit-gesundheit.charite.de/

https://wohnungslosigkeit-gesundheit.charite.de/forschung/projekte/

Forschungsnetzwerk Wohnungslosigkeit
Beschreibung: Dies ist die moderierte Mailingliste des interdisziplinären Forschungsnetzwerks Wohnungslosigkeit. Sie steht als elektronisches Austausch-, Informations- und Kontaktforum für Forschende offen, die zu den Themenfeldern Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, ungesichertes Wohnen und unzureichendes Wohnen wissenschaftlich arbeiten und sich austauschen möchten. Über die Mailingliste können inhaltliche und methodische Fragen, thematisch einschlägige Diskussionsbeiträge, aber auch Hinweise auf Publikationen, Call for Papers, Tagungsankündigungen, Ausschreibungen, Förderprogramme, Stipendien oder Stellenanzeigen verschickt werden. https://www.listserv.dfn.de/sympa/info/forschung_wohnungslosigkeit

Zeit der Solidarität

207 obdachlose Berliner:innen haben uns von ihren Problemen, Herausforderungen, Erfahrungen, Wünschen und Forderungen berichtet! Zufrieden können wir ihre Berichte als Ergebnisse der ersten Runde „Zeit für Gespräche“ mit obdachlosen Menschen in unserem Ergebnisbericht 2022 vorlegen. Wir hoffen, dass die Ergebnisse sensibilisieren und zum Handeln anregen!

Die Ergebnisse der 207 Gespräche mit obdachlosen Menschen sind bedeutsam, insofern als dass sie die ersten ihrer Art sind, die in Berlin gesammelt wurden und damit auf neue Weise Einblicke in die Lebenslagen und Perspektiven von obdachlosen Menschen bieten. Den befragten obdachlosen Personen wurden eine Reihe standardisierter demografischer Fragen und bis zu neun offene, qualitative Leitfragen zu Ihren Erfahrungen, Problemen und Ansichten gestellt.
https://zeitdersolidaritaet.de/wp-content/uploads/2023/02/Ergebnisbericht-2022-Zeit-fuer-Gespraeche.pdf

3. Offenes Netzwerktreffen wohnungsloser Menschen vom 29.- 31.3.2023 in Berlin

An den drei Tagen wurden eine Reihe von Themen und Punkten bearbeitet, dazu gehörten

  • Strategie des Netzwerks zur Überwindung von Wohnungslosigkeit (von der Diskussion über Themen zu Zielen und konkreten Schritten)
  • ein Frauennetzwerk aufbauen und ein eigenes Frauentreffen organisieren
  • Krankenversicherung wohnungsloser Menschen verbessern und die damit verbundene Schuldenfalle bekämpfen
  • Herausforderungen des politischen Aktivismus
  • schlechte Bezahlung bei Arbeitsangeboten der stationären Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe und Gründung von Bewohner:innenvertretungen
  • Auswertung von Austauschtreffen und Mahnwache gegen Obdachlosigkeit in Berlin am 31.01.2023 und weitere Planungen
  • Arbeitsweise der Wohnungslosen_Stiftung und Finanzierung von Projekten
  • Forschungsprojekt: Infrastrukturen und deren Nutzung durch wohnungslose Menschen

    Termine und Absprachen.

Ein ausführliches gemeinsames Ergebnis-Protokoll mit zahlreichen Anlagen wird in den nächsten Tagen veröffentlicht. Zunächst aber müssen die Teilnehmenden Gelegenheit haben, zum Entwurf des Protokolls Stellung zu nehmen und Korrekturen bzw. Ergänzungen anzubringen.
https://www.wohnungslosenstiftung.org/neuigkeiten/2023-04-01-ergebnisse-offenes-netzwerktreffen-wohnungsloser-menschen.html

Aus den Anfängen:

https://www.spiegel.de/panorama/obdachlose-wollen-selbstvertretung-gruenden-und-fordern-recht-auf-eigene-wohnung-a-00000000-0003-0001-0000-000002675002

Zum Lesen

Frank Sowa: Figurationen der Wohnungsnot. Kontinuität und Wandel sozialer Praktiken, Sinnzusammenhänge und Strukturen. Beltz Juventa, Weinheim 2022, 858 Seiten, 58 Euro
https://www.beltz.de/fachmedien/sozialpaedagogik_soziale_arbeit/produkte/details/42791-figurationen-der-wohnungsnot.html

Rezension von Monica Wunsch:
https://www.socialnet.de/rezensionen/26605.php

Inhaltsverzeichnis:
https://soziologie.de/aktuell/news/frank-sowa-hg-figurationen-der-wohnungsnot-kontinuitaet-und-wandel-sozialer-praktiken-sinnzusammenhaenge-und-strukturen

Sendungen, Meldungen, Nachrichten

Adler Group vor der Pleite: Was bedeutet das für die Berliner Mieter?
Der Immobilienkonzern steht in London vor Gericht. Gläubiger wollen ihr Geld sehen. Der Shortseller Fraser Perring sieht Betrugsvorwürfe bestätigt.
https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/immobilienkonzern-adler-group-vor-der-pleite-was-bedeutet-das-fuer-die-berliner-mieter-li.334873

Wenn Wohnen in der WG zum Luxus wird.  Unter den hohen Mieten leiden auch Auszubildende und Studierende
https://taz.de/Stark-gestiegene-Mieten/!5923642&s=Jasmin+Kalarickal/

Statistisches Bundesamt
Mehr als ein Viertel des Einkommens geht für die Miete drauf
https://rp-online.de/wirtschaft/rund-ein-viertel-des-einkommens-gehen-im-schnitt-fuer-die-miete-drauf_aid-87717939   

Wohnungsnot in Berlin: Ausbeutung oder letzte Zuflucht
In Treptow-Köpenick leben 150 Menschen in illegalen Camps, sie sollen bald geräumt werden. Der AK Wohnungsnot fordert eine Debatte über „Safe Places“.
https://taz.de/Wohnungsnot-in-Berlin/!5924375/

Metallspitzen sollen Obdachlose in Wuppertal am Schlafen hindern – Citykirche empfindet das als menschenverachtend
https://www.wz.de/nrw/wuppertal/metallspitzen-sollen-obdachlose-in-wuppertal-am-schlafen-hindern-citykirche-empfindet-das-als-menschenverachtend_aid-87763741

Termine

08.04.2023, 11 h, Ostermarsch, Heumarkt  https://www.friedenskooperative.de/termine/ostermarsch-2023-in-koeln

13.04.2023, 9:30 Uhr, Kundgebung gegen Zwangsräumung, Seidenstr.4, 51063 Köln

13.04.2023, 17:30 Uhr, Die letzte Generation – warum ziviler Ungehorsam und Widerstand nötig sind. Mit Jörg Alt und Angela Krumpen. Dom-Forum

15.04.2023, 11 Uhr, Kundgebung gegen Leerstand

15.04.2023, 14 Uhr, #IchBinArmutsbetroffen, Kreuzblume am Dom

18.04.2023, 19 Uhr, StadtGRÜN Köln. Haus der Architektur, Josef-Haubrich-Hof 2

20.04.2023, 15:30 Uhr, Sozialausschuss

21.04.2023. 13 – 15 Uhr Digitaler Workshop: Versorgung von Menschen aus dem EU-Ausland ohne Sozialleistungsansprüche in Deutschland. Anmeldung über den link
https://ssl-sug.carinet.de/slus/anmeldeseite-kagw-21-04-23-versorgung-von-menschen-aus-dem-eu-ausland-ohne-sozialleistungsansprueche-in-deutschland

24.04.2023, 19:30 Uhr, Wohin will Köln? Via culturalis oder Via Ballermann? Dom Forum

25.04.2023, 18-21 Uhr, Veranstaltung zum Lindgens-Areal in Mülheim Süd. Der aktuelle Planungsstand. Lokschuppen, Hafenstraße 7, 51063 Köln
https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/stadtentwicklung/muelheimer-sueden/lindgens-areal

25.04.2023, 18:30 Uhr, Frühlingsfest im Haus der Architektur mit dem neuen Kölner Dezernenten für Stadtentwicklung, Andree Haack, Josef-Haubrich-Hof 2

16. Mai 2023, 15:30 Uhr, Rat

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

8. April  2023
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln

PS
Spendenaufruf
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Verwendungszweck:  Aktionsbündnis

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