Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 56
1.
Obdachlosigkeit tötet
Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt in Deutschland für neugeborene Mädchen aktuell 83,4 Jahre und für neugeborene Jungen 78,6 Jahre. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_331_12621.html
Obdachlose sterben mit durchschnittlich 49 Jahren
https://www.hinzundkunzt.de/lebenserwartung-obdachlose/
Wo das Existenzrecht von Menschen so offenkundig gefährdet ist, sollte die Abschaffung der Obdachlosigkeit in einem Land höchste Priorität haben, dessen Grundgesetz so beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Das ist auf Bundesebene, auf Landeseben und auch in Köln nicht so – obwohl gerade vorgestern wieder im Stadt-Anzeiger zu lesen war, dass die Verantwortlichen sehr genau wissen, was Wohnen bedeutet:
„Um ‚in der Gesellschaft anzukommen‘, brauche es eine eigene Wohnung, sagte Sozialdezernent Harald Rau… Auch Monika Kuntze vom Caritasverband Köln betonte, wie wichtig eine eigene Wohnung dafür sei, selbständig zu werden und sich zu integrieren.“
In dem Artikel geht es aber nicht um Obdachlose, sondern um Flüchtlinge. Es wird das Auszugsmanagement gelobt, mit dessen Hilfe vielen Flüchtlingen aus den Sammelunterkünften zu Wohnungen verholfen wurde:
„2020 hat das Auszugsmanagement 407 Personen bei der Vermittlung in 130 Wohnungen unterstützt. Seit Bestehen des Projekts fanden auf diesem Weg 3912 Personen eine von 1432 Wohnungen. Getragen wird das Projekt von der Stadt sowie dem Caritasverband, dem Deutschen Roten Kreuz und dem Kölner Flüchtlingsrat. Zunächst wurden drei Stellen für Sozialarbeiter und -arbeiterinnen geschaffen, seit 2015 sind es sieben. Hinzu kommt das Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter, die oft Hinweise auf Wohnungen geben, die sich mieten lassen.“ https://www.ksta.de/koeln/hunderte-unterstuetzt-dieses-projekt-verhilft-gefluechteten-in-koeln-zu-eigener-wohnung-39072862?cb=1634369415803&
Der Stadt-Anzeiger hat das Auszugsmanagement zu recht gelobt. Auch der Rat verdient Anerkennung für seinen Beschluss die Sammelunterkünfte für Flüchtlinge bis 2024 in Köln abzuschaffen.
Warum wird dasselbe Engagement den Obdachlosen verweigert?
Wenn es um die Zuwanderung geht, ist oft von „Bereicherung“ die Rede. In den Berichten über die Obdachlosen dominieren die Klagen über Belästigungen durch ihr öffentlich sichtbares Elend.
Der Zusammenhang von „Bereicherung“ durch Zuwanderung und wirtschaftlichen Interessen wird seit Jahren thematisiert:
In der Taz vom 31.07.2012: Deutschland braucht mindestens 300.000 Zuwanderer
https://taz.de/!571642/
In der Welt vom 1.2.2017: 300.000 Zuwanderer könnten es jährlich sein.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article161709818/Bundesregierung-haelt-300-000-Migranten-jaehrlich-fuer-moeglich.html
Von der Deutschen Welle am 23.08.2021: Deutschland braucht aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr
https://www.dw.com/de/deutschland-braucht-400000-migranten-pro-jahr/a-58962209
Arian Schiffer-Nasserie hat schon 2015 Frau Merkels „Wir schaffen das“ nüchtern erklärt:
„Angesichts des unternehmerischen Bedarfs an motivierten und anspruchslosen Facharbeiter_innen, Pflegekräften oder gar Hochqualifizierten präsentieren Politik, Presse und Arbeitgeberverbände „ihre“ Flüchtlinge bereits als künftigen Zugewinn fürs nationale Wachstum und Chance zur weiteren Unterschichtung des deutschen Arbeitsmarktes.“
https://www.sopos.org/aufsaetze/56a8f6d36db14/1.phtml.html
Gegen Missverstände hat er betont, dass geholfen werden muss, wo Not gegeben ist, aber er hat darauf bestanden, dass übers Helfen die Ursachen der Not nicht ignoriert werden dürfen.
Arian Schiffer-Nasserie: „Die Flüchtlinge sind ein unerwünschtes Nebenprodukt der Zerstörung weiter Teile der Welt für die Interessen der führenden Staaten, insbesondere der G 7. Es ist kein Zufall, dass viele der Haupt-Herkunftsländer der Flüchtenden zugleich jene Länder sind, in denen westliche Staaten ihre Weltordnungskriege führen: Westbalkan, Afghanistan, Irak, Libyen. Und deutsche Unternehmen und die deutsche Politik profitieren von der herrschenden Weltordnung.“
https://www.nordbayern.de/politik/sind-fluchtlinge-eine-folge-rucksichtsloser-ausbeutung-1.5558926
Der Widerstand gegen die Verwandlung der Bundesrepublik in eine marktkonforme Demokratie hat in der Wohnungsfrage, wenn auch noch nicht in Köln, immerhin in Berlin die Politik erreicht.
„Wir müssen einen gesellschaftlichen Konsens haben, dass wir Obdachlosigkeit nicht mehr nur verwalten, sondern abschaffen“, sagt Sozialsenatorin Breitenbach.
In einem Masterplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit erklärte Breitenbach im September auch, wie sie das Problem des knappen Wohnraums lösen will: Zehn Prozent der Wohnungen, die die landeseigenen Wohnungsgesellschaften neu vermieten, sollen künftig an Housing First gehen. Außerdem sollen Notunterkünfte und Wohnungslosenheime mit staatlicher Förderung in Wohnungen umgebaut werden. Um Wohnungslosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen, soll mehr Geld und Engagement in die Vermeidung von Wohnungsverlust fließen.
https://taz.de/!5805697/ und https://taz.de/!5807818/
In Berlin hat auch die Winterhilfe mit 24/7 Häuisern schon begonnen
„Das bedeutet nicht nur, dass die Wohnungslosen das Haus am Morgen nicht verlassen müssen und erst abends wieder kommen dürfen. Es heißt auch, dass es Sozialarbeiter gibt, die die Menschen beraten und ihnen helfen, wieder auf die Füße zu kommen.
Die Erfahrungen mit 24/7 hätten gezeigt, ‚dass die Menschen viel empfänglicher sind für Hilfe, wenn sie mal Luft holen können, weil wir ihnen den Druck nehmen, wo sie den Tag verbringen müssen.‘“
https://taz.de/Odachlosenhilfe-in-Berlin/!5804245/
2.
Wochenrückblick
Bürgerfunksendung zu Obdachlosigkeit
Zu Gast in der von Franco Clemens moderierten Sendung : Nicole Fryaldenhoven, (Helping Hands Cologne) Linda Rennings, (Heimatlos in Köln) Marc Kersten (Wohnungslosenaktivist)
https://soundcloud.com/user-768960981/buergerfunk-2021-10-09-thema-obdachlosigkeit?
„Menschen fühlen sich hilflos“
Aktivisten demonstrieren gegen hohe Mieten in Köln
Laut Mietspiegel ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Mietwohnungen im Stadtteil Kalk in den vergangenen drei Jahren um knapp 15 Prozent gestiegen, von 9,70 Euro auf 11,14 Euro. In Mülheim sieht es nicht besser aus: Dort stieg der Preis im gleichen Zeitraum um über zehn Prozent von 10,71 Euro auf 11,81 Euro.
https://www.ksta.de/koeln/kalk/-menschen-fuehlen-sich-hilflos–aktivisten-demonstrieren-gegen-hohe-mieten-in-koeln-39069526
3.
Jahresrückbllick
Monitor am 13.Januar 2020, wie Arbeitslosigkeit zur Wohnungslosigkeit führen kann.
https://www.youtube.com/watch?v=UCcvLxZRufU
Am 4.März 2020 dokumentierte der SWR was auf Zwangsräumungen folgt
https://www.youtube.com/watch?v=IdqC5XKYpGw
Sorgloses Leben und Leben in Sorge.
Jana Sophia Nolles (*1986) Living Room ist eine konzeptuelle fotografische Studie temporärer Obdachslosenbehausungen, die sie in verschiedenen Wohnungen in San Francisco nachgebaut hat. Sie arbeitete eng mit den wohnungslosen Menschen zusammen und baute ihre Zufluchtsorte anschließend in den Wohnzimmern wohlhabender Personen nach und fotografierte sie dort
https://www.kerberverlag.com/de/1848/jana-sophia-nolle
Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Armut
16.10.2021
Klaus Jünschke