Rundbrief 115 vom 10. Dezember 2022

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 115

Winterhilfe und Obdachlosenverdrängung

Das Winterhilfetelefon  0221 56097310
https://www.skm-koeln.de/hilfe-in-groesster-not-das-winter-telefon-soll-hilflose-personen-vor-erfrierung-schuetzen/

Gestern wurden die Lager von Obdachlosen in Kalk vom Ordnungsamt geräumt.

Statt zu fragen, warum die Obdachlosen in Kalk lieber auf der Straße campieren, statt in die Notunterkünfte zu gehen, und daraus Konsequenzen zu ziehen, werden ihre Schlafplätze zerstört  – und dann sollen sie zusehen, wo sie sich in der Nacht hinlegen, nachdem ihre Matratzen auf dem Müll entsorgt worden sind. Und das vor einer Nacht mit Minustemperaturen und vor eine Woche mit angekündigten -5 Grad.
https://www.ksta.de/koeln/kalk/kalk-veedel/ordnungsamt-koeln-raeumt-lager-von-obdachlosen-in-kalk-377363

Die Bundesregierung hat erstmals einen Bericht zur Lage der Wohnungslosen in Deutschland vorgelegt. Dieser zeigt, dass die Mehrzahl männlich ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Fast 40.000 Menschen leben auf der Straße.
Von der Absicht der Bundesregierung und der Stadt Köln der EU-Vorgabe zu folgen und bis 2030 die Wohnungslosigkeit abzuschaffen, ist ernsthaft noch nichts zu spüren. Die Obdachlosen werden nicht nur in Köln-Kalk stärker bekämpft als die Obdachlosigkeit.
https://www.tagesschau.de/inland/wohnungslosigkeit-105.html

Zum Ehrenamt

Der Internationale Tag des Ehrenamtes ist ein jährlich am 5. Dezember gehaltener Gedenk- und Aktionstag zur Anerkennung und Förderung ehrenamtlichen Engagements. Er wurde 1985 von der den Vereinten Nationen mit Wirkung ab 1986 beschlossen. Der Bundespräsident verteilt an diesem Tag Verdienstorden an ausgesuchte ehrenamtlich Tätige. https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Tag_des_Ehrenamtes

Die Bundesregierung erläutert auf ihrer Homepage, was sie alles für die 31 Millionen ehrenamtlich Engagierten tut. Ohne zu erklären, warum das nötig wurde.
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/tag-des-ehrenamtes-1703762

Die rot-grüne Regierung Schröder/Fischer hat mit der Agenda 2010 dafür gesorgt, dass die prekären Beschäftigungsverhältnisse durch Befristung, Leiharbeit, Arbeiten unterhalb der Versicherungspflichtgrenze und Scheinselbstständigkeit zu Europas größtem Niedriglohnsektor ausgeweitet wurden.

2000 wurden die steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten für Stiftungen ausgeweitet. Die öffentliche Hand verzichtet auf erhebliche Steuereinnahmen, wird arm und ärmer, damit die Vermögenden nach eigenem Gusto entscheiden können, wie sie ihre Millionen und Milliarden einsetzen – ohne demokratische Kontrolle. Entsprechend boomt das Stiftungswesen.

Claudia Pinl, die das in ihrem Buch „Freiwillig zu Diensten“ skandalisiert, fordert eine Umkehr: „Ich denke, dass die tiefe Spaltung unserer Gesellschaft aufgehoben werden muss durch ein gerechteres Steuersystem. Die Reichen sollten wieder mehr Steuern zahlen, damit der öffentliche Sektor wieder mehr Geld zur Verfügung hat. Fast alle Kommunen sind in einem ganz desolaten finanziellen Zustand.“
http://www.heise.de/tp/artikel/39/39648/2.html      

Da die Spaltung der Gesellschaft im Kapitalismus mit einem gerechteren Steuersystem zwar abgemildert, aber nicht aufgehoben werden kann, muss besser verstanden werden, wie politisch Helfen ist.

„Hilfe ist immer dann nötig, wenn Hilfsbedürftigkeit erstmal in der Welt ist. Die deutschen Sozialverbände helfen seit über 150 Jahren—und das halte ich für ein trauriges Urteil. Wenn man sich nicht mehr mit den Ursachen der Notlagen in Deutschland oder der Welt befassen will, dann ist Hilfe gar kein erster Schritt zur Überwindung der Probleme, sondern nur die Betreuung des Leids.“ (Arian Schiffer-Nasserie)

Die Auseinandersetzung mit der Betreuung des Leids durch den Sozialstaat und die Sozialverbände ist Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie mit ihrem Buch „Der soziale Staat. Über nützliche Armut und ihre Verwaltung“ gelungen.
https://www.socialnet.de/rezensionen/25063.php

Verwaltungsreform für wen?

Oberbürgermeisterin Reker war der Einladung von „Köln kann auch anders“ am 1.12.2022 ins Domforum gefolgt und stellte sich der Diskussion zum Stand ihrer Verwaltungsreform. https://www.youtube.com/watch?v=n9GGwMrNKGM

Nach dem Bericht des Stadt-Anzeigers zog sie folgendes Fazit: „Der Anstoß ist gelungen. Wir wollten Deutschlands modernste Stadt werden. Das sind wir noch nicht. Der Weg stimmt, das Tempo noch nicht.“
https://www.ksta.de/koeln/verwaltungsreform-in-koeln-der-weg-ist-richtig-das-tempo-noch-nicht-375655

Auf dem Neujahrsempfang der deutschen Bank erklärte Frau Reker im Januar 2016, dass sie Köln bei Medien, Uni und Messe auf Platz eins in Deutschland führen wolle. Später kam noch die Medizin dazu. Am 4.9.2019 wurde sie im Stadt-Anzeiger unter dem Titel „Stiftung soll Kliniken übernehmen“  so zitiert: „Das Potential, Köln zu einem national und in Europa führenden Standort der Medizin auszubauen.“

Seither sank die Zahl der Sozialwohnungen und es stieg die Zahl der Luxuseigentumswohnungen in Köln. Die Zahlen der auf den Straßen kampierenden Obdachlosen und die Zahlen der um Almosen Bittenden vor den Supermärkten haben zugenommen. Es herrscht Wohnungsnotstand in Köln.

Als Frau Reker gewählt wurde, gingen nur noch 51% der Wahlberechtigten in die Wahllokale. Auf ihrem vorgeblichen Anstieg zu immer neuen Gipfeln und Spitzenplätzen bleiben die Armen weiter zurück.

Was das mit der Verwaltungsreform zu tun hat? Weil hier ein Prozess stattfindet, der Köln zur modernsten Stadt Deutschlands machen will, ohne dass die zunehmende soziale Ungleichheit reflektiert und gestoppt wird. Es gibt noch nicht einmal eine relevante Diskussion in der Stadtgesellschaft über die Folgen der Öffnung des städtischen Wohnungsmarktes für international agierende Investoren. Wer das untersucht, wird ignoriert. Der Stadt-Anzeiger veröffentlicht heute im Rahmen seiner Serie „Wo steht Köln?“ zur „Wohnbaukrise“ zwei läppische Seiten, die nichts erklären.
https://www.ksta.de/koeln/wo-steht-koeln-das-sind-die-gruende-fuer-die-wohnungsbaukrise-377235

Mit Werner Rügemer hätten sie einen sachkundigen Bürger über die Macht von Finanzinvestoren, eine neue Phase des Kapitalismus und die stille Macht der neuen Finanzelite fragen können:

Zur „Agenda 2010“ der SPD-Grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joseph Fischer gehörte die „Entflechtung der Deutschland AG“. Damals kamen als erste die kleineren US-Investoren des anderen neuen Typs zum Zuge, die Private Equity-Investoren, damals auch „Heuschrecken“ genannt.

Sie heißen Blackstone, Permira, Fortress, KKR usw. und kauften hunderttausende öffentliche Wohnungen in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Bremen, kauften tausende gutgehende mittelständische Unternehmen und zogen Gewinne ab.

Und danach kamen BlackRock &Co. und fassten zum Beispiel die schon privatisierten Wohnungen zu den heutigen Wohnungskonzernen Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, Grand City Properties und TAG zusammen.

Sie halten Anteile dieser Wohnungskonzerne, aller 30 Dax-Konzerne und hunderter weiterer wichtiger Unternehmen. BlackRock & Co. sind Großaktionäre, weil etwa ein Dutzend dieser Kapitalorganisatoren mit solchen Anteilen von zwei bis zehn Prozent heute gleichzeitig die jeweils führende Gruppe der Aktionäre bilden, in wechselnder Zusammensetzung.
https://www.heise.de/tp/features/BlackRock-Co-enteignen-6203954.html

Mit Vonovia schloß Wohnungsbaudezernent Greitemann ein Wohnungsbaubündnis. Während die Stadt die eigene GAG nicht so bauen lässt, wie sie es könnte.

„Bei Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG (größter privatisierter Wohnungskonzern in NRW mit etwa 140.000 Wohnungen) sind die Auswirkungen doch allmählich öffentlich bekannt: Schnelle Mieterhöhungen, gezielte Erhöhungen der Nebenkosten – und das auch schonmal in rechtlichen Grauzonen, Auslagerung von Dienstleistungen in Niedriglohn-Subunternehmen, preistreibende Spekulation mit Eigentumswohnungen.“ (Werner Rügemer)

Wir brauchen keine Verwaltung, die mit den Verwaltungen der anderen Städte um Spitzenpositionen konkurriert.  „DerKampf gegen Gipfel erfüllt ein Menschenherz.“ (Albert Camus)

Sendungen, Meldungen, Nachrichten

Eine sehr lesenswerte Reportage über die Ausbeutung migrantischer Arbeiter auf dem Bau
https://taz.de/Reportage-aus-dem-Rhein-Main-Gebiet/!5897238&s=Sascha+L%C3%BCbbe/

Die Kölner Aktivisten Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM) und Kalle Gerigk von der Initiative „Recht auf Stadt Köln“, die etwa von den Mahnwachen an den Russenhäusern bekannt sind, hatten den Fall von Frau Aranov an das Amt herangetragen. „Für ihre Hilfe bin ich sehr dankbar. Ohne sie hätte ich all das nicht geschafft“, sagt die Kölnerin….“
https://www.express.de/koeln/koeln-wohnungsamt-hilft-mieterin-mit-neuer-wohnung-376271?cb=1670419842411

Die Lage für wohnungslose Menschen spitzt sich zu
https://www.demo-online.de/artikel/expertin-lage-wohnungslose-menschen-spitzt

Der Enteignungsvolksentscheid in Berlin wird nicht umgesetzt
https://jungle.world/artikel/2022/48/enteignung-als-pr-gag  

Nancy Faeser blockiert jene Änderungen der Ersatzfreiheitsstrafe, von denen Arme profitieren würden. Was die Genossin reitet? Ein etwas verqueres Verständnis vom Feminismus
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/nancy-faeser-blockiert-justizreform-die-genossin-will-moderne-schuldtuerme

Marlene Engelhorn: Auf meine Klasse der Überreichen, also auf das reichste Prozent, ist kein Verlass: Sie haben schon genug Geld, um viel Gutes im öffentlichen Interesse zu tun, aber was passiert? Sie horten weiter und polieren mit Spenden ihr Image, die nur einen winzigen Bruchteil ihres Vermögens ausmachen. 
https://kontrast.at/engelhorn-interview/

Frater Emmanuel engagiert sich seit 30 Jahren für Arme und wohnungslose Menschen
Benediktiner über Obdachlose: „Das sind Menschen wie du und ich“
https://www.katholisch.de/artikel/42391-benediktiner-ueber-obdachlose-das-sind-menschen-wie-du-und-ich

Soziale Hilfen weisen das zentrale Ziel auf, Teilhabechancen und Handlungsoptionen von
Adressat*innen zu verbessern.
In öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Kontexten wird zunehmend erwartet,
Nachweise darüber zu liefern, ob bzw. auf welche Weise die Hilfen ihr Ziel tatsächlich
erreichen.
https://folgensozialerhilfen.de

Abhängige spritzen sich im Weihnachtstrubel Drogen, weil der Konsumraum zu ist
https://www.ksta.de/koeln/koelner-innenstadt/altstadt-sued/koeln-abhaengige-spritzen-sich-am-koelner-neumarkt-drogen-376608

Termine

10.12.2022, 11 – 13 Uhr, Kundgebung gegen Leerstand: „Wohnungen für Obdachlose und Geflüchtete“, Ecke Berrenrather Str. / Friedrich Engels Straße

10.12.2022,13:00, Demo „Genug ist genug“, Ottoplatz

10.12.2022, 15 Uhr, Öffentliche Diskussion über „Endstation Armut“ auf dem  Kurt-Hackenberg-Platz   https://angiehiesl-rolandkaiser.de/projects/talk-in-public/

15.12.2022 Bundesweiter Aktionstag von MietenStopp
https://www.rechtaufstadt.koeln/

22.12.2022, 15 Uhr, Protest gegen Zwangsräumung, Ferkulum 8

Für eine Stadt ohne Obdachlosigkeit
Für eine Stadt ohne Zwangsräumungen
Für eine Stadt ohne Drogentote
Für eine Stadt ohne Gewalt gegen Frauen und Kinder
Für eine Stadt ohne Abschiebungen
Für eine Stadt ohne Armut

10. Dezember 2022
Klaus Jünschke und Rainer Kippe
https://wohnungsnot.koeln

PS
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Verwendungszweck:  Aktionsbündnis

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