Kundgebung mit Kochtöpfen
05.12.2024 – 11:11 Uhr Landgericht
Luxemburger Straße 101
Bringt Topfdeckel mit für einen bundesweiten Mietendeckel
Der geplante Mietengipfel der Bundesregierung am 5. Dezember in Hamburg wurde nach dem Ampel-Aus als »Spitzengespräch für Verbände« nach Berlin verlegt. Es gibt Protest-Aktionen in verschiedenen Städten, beispielsweise in Hamburg, Berlin und Köln. Mietpreistreiberei und Kündigungs-Tricks treffen die Mieter:innen immer brutaler und die Regierung hat versäumt, die Mieter:innen zu schützen.
In Köln protestieren wir vor dem Landgericht für einen besseren Mieterschutz. Wie ihr wisst, sollte ein 85-jähriger Mieter mit dem Eigenbedarfstrick auf die Straße gesetzt werden. Das Gericht gab dem Mieter Recht. Am 5.12. versucht der Vermieter in zweiter Instanz erneut, seinen Mieter rauszuwerfen.
Deshalb findet der Kölner Wohngipfelprotest gegen die verfehlte Mietenpolitik der Bundesregierung vor dem Landgericht statt.
FÜR EINEN BUNDESWEITEN MIETENDECKEL!
BG1006 – Besetztes Haus in Dellbrück endgültig gerettet
2019 hatte der SSM mehrmals das großenteils leerstehende städtische Haus Bergisch-Gladbacher-Straße 1006 besetzt und versucht, obdachlose ältere Damen, die von Dezernent Rau nicht untergebracht wurden und auf der Straße lebten, ein Zuhause zu verschaffen.
Immer wieder wurden sie geräumt, aber schließlich setzte sich der SSM nach öffentlichen Protesten und immer neuen Besetzungen doch durch und der Liegenschaftsausschuss unter seinem Vorsitzenden Jörg Frank beschloss die Übertragung des Hauses an den Förderverein des SSM, »Mach Mit e.V.«, damals noch unter seinem legendären Vorsitzenden Rolf Stärk, der inzwischen leider von uns gegangen ist.
Diese Woche nun erfolgt der Vertragsschluss beim Notar mit einem neu gegründeten Verein, der Künstler, Obdachlose und Dellbrücker Vereine in dem Haus vereinigt. Wir gratulierte zum erkämpften soziales und bezahlbares Wohnen.
Michael Fuchs von der Rundschau schreibt: »Nach jahrelangen Verhandlungen gibt es gute Nachrichten für das soziale Wohnprojekt Bergisch Gladbacher Straße 1006 in Dellbrück („BG1006“). Die Stadt Köln wird dieMehrkosten für die Sanierung derFassade des Jugendstilhauses bis zu einer Höhe von 77 500 Euro übernehmen. Außerdem verlängert sie den Zeitraum, in dem der Vertragspartner, der Verein „1006 e. V.“, die Sanierung durchführen muss, von vier auf sechs Jahre. Das hat der Stadtrat in der vergangenen Woche beschlossen.«
In der bundesweiten Zeitung CONTRASTE wurde in der Februarausgabe die BG1006 samt ihrer Vorgeschichte einer Besetzung des Hauses mit obdachlosen älteren Damen vorgestellt. Und noch viel mehr Interessantes läßt sich im Schwerpunkt »Obdachlosigkeit überwinden« finden. Ein Abonnement unterstützt diese einzigarte Zeitung von unten sehr.
Obdachlose besetzten Jugendstilhaus
siehe Seite 10 der CONTRASTE-PDF-Ausgabe
Nach Beschwerde über Bettwanzen auf die Straße gesetzt
Uli Kreikebaum berichtete jüngst im Kölner Stadtanzeiger, wie es einem Obdachlosen ergehen kann, der von der Stadt in einer ihrer Absteigen untergebracht wurde und in seinem Bett Wanzen fand.
Nachdem sie jahrelang den Wohnungsbau blockiert hatten, um die Mieten hochzutreiben, melden sich nach dem Durchbruch bei den Verhandlungen im Unterausschuss Wohnen jetzt die Spekulanten
135 Jahre Kölner Gefangenenfürsorgeverein – Ein Trauerspiel
In den letzten 150 Jahren hat sich auf dem Gebiete des Strafvollzugs vieles verbessert. Menschen werden nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit eingesperrt, es gibt Bewährungsstrafen. Auch der Strafvollzug hat sich verbessert. Für leichtere Straftaten und kürzere Strafen gibt es den offenen Vollzug, der den Betroffenen hilft, den Kontakt zum normalen Leben zu bewahren.
Einer ist allerdings gleich geblieben: diejenigen, die ihre Strafe verbüßt haben, werden auf die Straße gesetzt. Und wenn sie keine Familie mehr haben, die sie aufnimmt, landen sie auf der Straße. Denn die Wohnung ist inzwischen weg. Und ohne Wohnung ist es meist unmöglich, Fuß zu fassen. Deshalb ist der Kreislauf Straße-Knast ein eingefahrenes Modell unseres Sozialstaates und beschäftigt insofern Gerichte, Gefängnisse und Sozialarbeiter.
Das Aktionsbündnis und der SSM halten die Strafentlassung auf die Straße deshalb für unzulässig und die Entlassung in eine Wohnung im Sinne von HOUSING FIRST für eine unverzichtbare Bedingung des Strafvollzugs. Davon ist aber bei unserem Grünen Justizminister und bei dem von ihm geleiteten Ministerium keine Rede- eine Blamage für die Grüne Partei in NRW. Wir werden dieses Thema nicht aus den Augen lassen und uns politisch für die ENTLASSUNG IN EINE WOHNUNG einsetzen.
Von dem Treffen des Gefangenenfürsorgevereins berichtet Klaus Jünschke.
Am 20. November 2024 wurde im Domforum 135 Jahre Gefangenenfürsorgeverein gefeiert. Der Vorsitzende des Vereins, Jens Röskens vom Sozialdienst Katholischer Männer (SKM), ging in seiner Begrüßungsrede auf die Geschichte des Vereins ein, so wie sie auf der Webseite des Vereins nachgelesen werden kann.
https://koelnerstraffaelligenhilfe.de/#chronik
Auch er sprang vom Gründungsjahr 1889 zum Jahr 1968, in dem sich der „Gefängnis-Verein zu Cöln“ in „Kölner Gefangenenfürsorgeverein von 1889 e.V.“ umbenannte. Aber immerhin war auf der Webseite zu lesen, dass im Verein neben den Geistlichen der christlichen Religionen auch die Rabiner Mitglied waren. Wer sie waren und was1933 aus ihnen geworden ist, steht da nicht. Der Gefangenenfürsorgeverein blendet in seiner Chronik die Jahre 1933 bis 1945 komplett aus. Über die Christlichen Gefängnisseelsorger aus dieser Zeit gibt es Informationen: https://gefaengnisseelsorge.net/wp-content/uploads/2022/07/Seelsorge-im-3.-Reich.pdf
Nachdem der Deutsche Bundestag die sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ 2020 endlich als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt hat, ist am 10.10.2024 eine vom Bundestag initiierte Ausstellung eröffnet worden. Im Herbst 2025 soll sie nach Köln kommen.
https://www.die-verleugneten.de/ausstellung/
Die Ausstellung soll zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Randgruppen beitragen. Die Forschung über die Fürsorger im Nationalsozialismus, die „NS-Volkspfleger“genannt wurden, hat gerade begonnen.
https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/mitlaeuferinnen-nutzniesserinnen-und-taeterinnen
Nach der Kapitulation der Nazis am 8. Mai 1945 wurde aus den „NS-Volkspflegern“ nahtlos wieder Fürsorger. Die Gewalt gegen die ihnen Anvertrauten blieb. Als ein Ausläufer dieser Missachtung der Menschenwürde der sogenannten Klientel in der Wohnungslosenhilfe kann die andauernde Praxis bezeichnet werden, Obdachlose im Winter bei jedem Wetter und jeder Temperatur um 8 Uhr in der früh auf die Straße zu schicken.
Aufenthalt in den Notunterkünften 24 Stunden an allen 7 Tagen in der Woche gibt es in Köln erst seit wenigen Jahren. Eine Ende der gewalttätigen und tödlichen Übergriffe gegen auf der Straße schlafende Frauen und Männer ist nicht absehbar.
Die Feier von 135 Jahren Gefangenenfürsorge wollte sich dem Strafvollzug der Zukunft widmen und Antworten auf die Frage „Wieviel Gefängnis braucht das Land?“ diskutieren.
Aber ohne Bezug zur Verfolgungsgeschichte von als „asozial“ und „kriminell“ Stigmatisierten können auch die Begriffe „kriminell“ und „asozial“ nicht aufgelöst werden, wie sich an diesem Abend zeigen sollte. Aus der kritischen Kriminologie wird seit über 50 Jahren gefordert das Vokabular von „Kriminalität“ durch eine konkretere Sprache des Nachdenkens über soziale Konflikte und Schadensereignisse zu ersetzen.
Immerhin haben sich endlich Wissenschaftlerinnen der Aufgabe gestellt die blinden Flecke in der Geschichte der Fürsorge aufzuklären.
https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-133666
Der Gefangenenfürsorgeverein hat sich an diesem Abend auch nicht mit seinem Namen auseinandergesetzt. Unter Fürsorge verstehen wir die Hilfstätigkeit für Bedürftige. Ein Gefangenenfürsorgeverein setzt sich folglich für die kriminalisierten Armen ein.
Die Kriminologin Helga Cremer-Schäfer schreibt seit Jahrzehnten gegen die Verbindung von arm und kriminell an: „Die Wiederentdeckung von Armut als ‚soziales Problem‘ etabliert umso nachdrücklicher eine bekannte Wahlverwandtschaft: die Figur des Armen und des Delinquenten“. (Helga Cremer-Schäfer: Weshalb Arme so leicht kriminell werden müssen – In: Neue Kriminalpolitik 4/1998, S. 33)
Das BKA kommt in seinen Lagebildern Wirtschaftskriminalität regelmäßig zu dem Schluss, dass die sogenannten „Weiße Kragen-Täter“ mehr finanziellen Schaden anrichten als alle armen Betrüger, Diebe, Einbrecher und Räuber zusammen. Wie viele andere Erkenntnisse aus den Wissenschaften ist auch das in den Medien und der Gesellschaft bis heute nicht angekommen, wo verbissen an arm = kriminell festgehalten wird.
Die Veranstalter der Feier, Sozialdienst katholischer Männer (SKM) und Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) hatten Jutta Arens (Leiterin Straffälligenhilfe SkF Köln), Dr. Nicole Bögelein (Kriminologisches Institut der Universität zu Köln), Dr. Benjamin Limbach (Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen) und Angela Wotzlaw (Anstaltsleiterin JVA Köln)auf das Podium geladen.
Die Diskussion wurde von der Journalistin Judith Schulte-Loh moderiert, die sich immer wieder energisch bemühte den Podiumsteilnehmerinnen vernünftige Antworten auf die Frage „Wieviel Gefängnis brauch das Land?“ zu entlocken.
In den Beiträgen war immer wieder von „Augenhöhe“ und „Teilhabe“ die Rede, aber für einen Gefangenen oder eine ehemalige Gefangene war kein Platz auf dem Podium reserviert. Warum haben sich SKM und SKF nicht getraut einen Sprecher der Gefangenengewerkschaft einzuladen? https://ggbo.de/
Die Abschaffung der Gefängnisse oder eine Welt ohne Gefängnisse waren nicht das Thema des Abends, aber Jutta Arens, Benjamin Limbach und Angela Wotzlaw hielten es ungefragt angebracht zu betonen, dass es immer, auch in 100 Jahren, noch Gefängnisse geben wird.
Dabei ist das Zellengefängnis in der langen Geschichte der Menschheit noch nicht einmal 200 Jahre alt geworden. Es wird erst in 5 Jahren den 200. Geburtstag begehen können. Am 23. Oktober 1829 nahm mit dem Eastern State Penitentiary das erste Zellengefängnis seinen Betrieb auf.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eastern_State_Penitentiary
Wie bei Geburtstagen üblich hörten die Gäste im Domforum tatsächlich mehrfachpositive Bemerkungen auf „die nächsten 135 Jahre Gefangenenfürsorgeverein.“ Völlig ignoriert blieb, dass das Zellengefängnis von Beginn an mit noch heute aktuellen Argumenten kritisiert wurde. Dazu muss man nicht Michel Foucaults „Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses“ gelesen haben.
Friedrich Engels und Karl Marx schrieben in ihrem 1845 erschienen Buch „Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik“, in ihrer Auseinandersetzung mit der „Isolirhaft“ man müsse „nicht das Verbrechen am einzelnen strafen, sondern die antisozialen Geburtsstätten des Verbrechens zerstören und jedem den sozialen Raum für seine wesentliche Lebensäußerung geben. Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muss man die Umstände menschlich bilden.“ (S.207) Warum das bis heute nicht realisiert wurde, kann mit der „Ökonomie der Macht“ (Foucault) verstanden werden.
Die Verfasser des Strafvollzugsgesetzes hatten im § 3 formuliert wie der Strafvollzug gestaltet sein sollte.
(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.
(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.
(3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.
Ernst genommen hätte das bedeutet, dass der Offene Vollzug, d.h. die Unterbringung in Häusern ohne Mauern drum herum, in Zimmern ohne Gittern vor den Fenstern, Regelvollzug werden sollte. Justizminister Limbach kann nicht erklären, warum das bis heute nicht der Fall ist.
Selbstgerecht hat er darauf verwiesen, dass 50% aller Plätz im Offenen Vollzug in der Bundesrepublik in NRW sind.Jutta Arens hat skandalisiert, dass die 300 Frauen in der JVA Ossendorf in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht sind und es nur 37 Plätze für Frauen im Offenen Vollzug gibt.
Nicole Bögelein kam auf die aktuellen Vorschläge aus der EU und der Vereinten Nationen zu sprechen, wonach nur noch kleine Gefängnisse gebaut werden sollten.
https://seehaus-ev.de/kleine-hafthaeuser-rescaled/
Darauf erwiderte Frau Wotzlaw allen Ernstes, dass das in Köln geschehe. Der Neubau sehe zwei Gefängnisse vor, eines für Frauen mit 300 Plätzen und eines für Männer mit 700. Niemand hat gelacht.
Vergessen ist, dass vor 30 Jahren schon anders über die Größe der JVA Köln öffentlich nachgedacht wurde. „Am 17.11.1996 hatten über 500 geladene Gäste die Möglichkeit sich das Kölner Gefängnis in KölnOssendorf von innen anzusehen. Oberregierungsrat Heinz-Werner Haucke, der damaligeAbteilungsleiter der Strafabteilung der JVA Köln scheute sich an diesem Tag der Offenen Tür nicht, deutlich auszusprechen, was er von diesem Gefängnis mit seinen 1.100 Haftplätzen hält: ‚Heute würde eine Justizvollzugsanstalt dieser Größe nicht mehr gebaut werden. Zu groß, zu unübersichtlich. Heutzutage würde man lieber drei Einzelanstalten errichten.‘ (Kölnische Rundschau,18.11.1996)
Auch der damalige Leiter der JVA, Jörn Foegen, der den Tag der Offenen Tür für die Familien der Bediensteten und die Straffälligenhilfe eingeführt hat, hat in Gesprächen immer betont, dass eineJVA nur so groß sein sollte, dass er als Chef alle, die einsitzen und alle, die darin arbeiten, persönlich kennenlernen kann.
Die aktuelle Forschung zum sozialen Klima in Gefängnissen am Institut für Kriminologie, an der auch Nicole Bögelein beteiligt ist, hat das bekräftigt.
https://kriminologie.uni-koeln.de/sites/kriminologie/UzK_2015/dokumente/publikationen/Neubacher_Boegelein_Kant_2023_Worauf_es_im_Gefaengnis_ankommt.pdf
Immerhin hat Frau Wotzlaw darüber informiert, dass sie nur für 50% aller Gefangenen Arbeit hat und viele, die arm sind und gerne Arbeiten würden, um einkaufen zu können, auch von den zuständigen Sozialämtern nicht das ihnen zustehende Taschengeld überwiesen bekommen.
Nicht berichtet hat sie, dass die armen Raucher im Gefängnis Kippen sammeln, weil auch diese Sucht bei den meisten Rauchern nicht einfach zur Disposition steht.
In Ossendorf können Besucher der Gefangenen und die professionellen und ehrenamtlichen Helferinnen keinen Tabak mehr in die JVA bringen. Das ist aus Gründen der „Gerechtigkeit“ eingeführt worden, denn die Gefangenen, die keine Besuche bekommen oder nicht an Gesprächsgruppen teilnehmen, bekämen auch keinen Tabak.
Was dieses Verständnis von „Gerechtigkeit“ bewirkt, wenn ein knappes Gut in einem engen Markt in einer JVA weiter verknappt wird, war nicht Thema an diesem Abend.
Die Moderatorin Judith Schulte-Loh hat die Ersatzfreiheitsstrafe thematisiert. Nicole Bögelein, die dazu seit 10 Jahren forscht und publiziert, erläuterte, dass Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind und sich nicht bezahlen können, zu eben dieser Haftstrafe verdonnert werden.
Über die Hälfte der jährlich in Deutschland in die Gefängnisse kommenden Frauen und Männer werden nur inhaftiert, weil sie die Geldstrafe nicht zahlen konnten. Das sind über 50.000 Menschen.
Nicole Bögelein bedauerte, dass die Reform dieser Sanktion nicht zu ihrer ersatzlosen Abschaffung geführt hat, sondern nur zu einer Halbierung der Haftzeiten.
Justizminister Limbach zeigt sich von der wissenschaftlichen Kritik an dieser Bestrafung von Armen völlig unbeeindruckt und verteidigte diese Sanktion. Allen Ernstes sagte er die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe würde zu einer Ungleichbehandlung der anderen Kurzstrafen führen.
Die Grüne Partei hat in ihren Anfängen die Abschaffung der Jugendgefängnisse gefordert und hat heute einen Justizminister für den diese Strafefür Armutsdelikte sein muss.
Sein Vorgänger im Amt, Peter Biesenbach (CDU)hat sich für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe engagiert. In einer Veranstaltung zur Ersatzfreiheitsstrafe in der Karl Rahner Akademie hat er erklärt, dass in NRW zwei Gefängnisse geschlossen werden könnten, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe abgeschafft wird.
Nicole Bögelein verwies auf Schweden, wo Arme nicht mehr eingesperrt werden, wenn sie eine Geldstrafe nicht bezahlen. Der Justizminister blieb unbeeindruckt.
Unter der Überschrift Schwedischer Weg statt „schwedische Gardinen“ wird dieses Modell auf der Webseite des Gefangenenfürsorgevereins gewürdigt:
„Sollte die Abschaffung von Ersatzfreiheitsstrafen aus gesellschaftspolitischen Gründen nicht durchsetzbar sein, wäre eine Alternative der schwedische Weg.
In Schweden kennt man sowohl die Geldstrafe als auch die Ersatzfreiheitsstrafe, jedoch wird in Schweden nur dann inhaftiert, wenn die Verurteilten materiell leistungsfähig, aber zahlungsunwillig sind. Bei Feststellen der Zahlungsunfähigkeit wird die Strafe in Schweden nicht vollstreckt, wobei die Zahlungsunfähigkeit alle zwei Jahre überprüft wird, bis nach Ablauf von 5 Jahren die Strafe verjährt.
Dieses Verfahren ließe sich in Deutschland problemlos umsetzen, wenn im Rahmen von Zwangsvollstreckungen und durch Abgabe der Vermögensauskunft Einkünfte und Vermögen offengelegt würden und auf diesem Weg die Zahlungsfähigkeit bzw. -unfähigkeit festgestellt wäre. Auch das Modell der Verjährungsfrist von 5 Jahren für Geldstrafen (über 30 Tagessätze) ließe sich unter der Maßgabe https://koelnerstraffaelligenhilfe.de/2023/04/20/schwedischer-weg-statt-schwedische-gardinen/
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Judith Schulte-Loh berichtete etwas Erfreuliches: in Köln stellt die KVB keine Strafanzeigen mehr wegen Fahren ohne Ticket. Da von den jährlich rund 5000 Neuzugängen in der JVA Köln 1000 Frauen und Männer wegen der nicht bezahlten Geldstrafe erscheinen müssen, und 20% der Ersatzfreiheitsstrafler wegen Fahren ohne Ticket verurteilt wurden, müssen rund 200 Menschen weniger in Haft.
Ein gelungenes Beispiel für Entkriminalisierung.
https://www.ksta.de/koeln/koeln-kvb-stellt-bei-schwarzfahren-keine-strafanzeige-mehr-698182
Wieviel Geld im Haushalt des Landes dadurch eingespart werden könnte, wurde nicht ausgeführt, aber da ein Hafttag 180 Euro kostet, kann man verstehen, dass es dabei um sehr viel Geld geht.
Dabei handelt es sich um das Geld, das gerade im Landeshaushalt fehlt und zu den grotesken Entscheidung führte, die Finanzierung des Täter Opfer Ausgleichs und die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit ersatzlos zu streichen.
https://www.toa-servicebuero.de/sites/default/files/stellungnahme_dr_fiedeler_-_zum_haushaltsplanentwurf_2025_mit_beendigung_der_foerderung_des_toa_26.09.2024.pdf
Auch diese Maßnahmen wurden von Justizminister Limbach gerechtfertigt. Dabei wäre es angezeigt die Finanzierung des Täter Opfer-Ausgleichs zu erhöhen und die Projekte für Restorative Justice, Wiedergutmachende/Wiederherstellende Gerechtigkeit, auszuweiten. https://de.wikipedia.org/wiki/Restorative_Justice
Das Motto der Veranstaltung „Der Strafvollzug der Zukunft“ in Verbindung mit der Frage „Wieviel Gefängnis baucht das Land?“ hätten konkrete Antworten finden können.
Der ehemalige Leiter der JVA Köln Jörn Foegen (8. März 1942 – 26. März 2006) hat sich in den 1990er Jahren Gedanken gemacht, wie die Zahl der Haftplätze reduziert werden könnte.
Jörn Foegen war überzeugt, dass das Gefängnis aus seiner sozialen Randlage herausgeholt werden muss, damit es Veränderungen in seinem Sinne geben kann. Daher hat er entschiedenauf Transparenz gesetzt und die Öffentlichkeit in die JVA geholt.Gefangene konnten öffentliche Hearings veranstalten, Journalistinnen und Journalisten bekamen großzügige Fotografier- undInterviewmöglichkeiten und es wurde ein Tag der Offenen Türeingeführt.
In Interviews sagte er zum Täter-Opfer-Ausgleich:„Die Kölner Staatsanwaltschaft hat mal gesagt, dass es eine Spanne von ungefähr 20% der Fälle gäbe, wo Täter-Opfer-Ausgleich zur Vermeidung einer Haftstrafe möglich wäre, dass in Köln aber real nur 1% ausgenutzt wird. Ich meinedas nicht nur rein materiell bei Eigentumsdelikten sondern auch inhaltlich, emotional… …Das ist ein viel stärker resozialisierender oder sozialisierender Punkt,wenn ich mich mit einem Opfer, das ich vielleicht körperlich geschädigt habe,auseinandersetzen muss, und das Opfer akzeptiert das auch.“
Zur Inhaftierung von Drogenabhängigen erklärte er immer wieder, dass er ein Drittel aller Zellen dicht machen könnte, wenn es in der Bundesrepublik eine an Leidverminderung orientierte Drogenpolitik geben würde:„Entscheidend ist, dass wir sagen, ein Drogenabhängiger ist krank. Dann frage ich mich, was soll der denn bei mir? Bin ich leitender Arzt oder bin ich Knastdirektor? Wenn die krank sind, dann muss ich ihnen das Medikament geben.Das ist im Moment die Droge. Ein Schweizer Versuch hat sogar gezeigt, dasses besser ist, gleich anständiges Heroin zu geben anstatt Methadon. Gäbe esdas notwendige Suchtmittel unter ärztlicher Begleitung in anderer Form, dannhätten wir beides, den vernünftigen Umgang mit der Droge und das Infektionsproblem gelöst.“
Zur Verantwortung der Stadt:„Früher haben wir Gefangene in ein Leben in Freiheit mit Wohnung und Arbeitsplatz vorbereitet. Heute entlassen wir sie in Arbeitslosigkeit, womöglich sogar inObdachlosigkeit. Die Rahmenbedingungen ‚draußen’ sind nun mal alles andereals günstig und für unsere Klientel – strafrechtlich in Erscheinung getreten undwomöglich drogenabhängig – um so problematischer.“
(Aus einem Interview mit Elisabeth Thelen und Ossi Helling im Dezember 1997 für „rathaus ratlos“ Nr. 105, 01/1998 und einemInterview mit Dirk Eckert, taz 25.1.2006.)
Obwohl die Zahl der Drogentoten steigt werden die Mittel für die Suchthilfe nicht erhöht.
https://www.nrz.de/lokales/duesseldorf/article407632466/kahlschlag-im-sozialbereich-duesseldorfer-wohlfahrt-warnt-vor-kuerzungen.html
Jutta Arens hat in ihrem Eingangsstatement gefordert, die „Lebenslagen zu verbessern“. Der soziale Kahlschlag geht nicht nur vom Bund und vom Land aus. Auch die Städte kürzen Sozialausgaben wo sie können. Am Tag nach der Veranstaltung im Domforum hat der Kölner Sozialdezernent Dr. Rau im Sozialausschuss bekannt gegeben dass auch die Mittel für den Kölner Gefangenenfürsorgeverein gestrichen wurden.
Mit was für einem Menschenbild Dr. Limbach unterwegs ist, zeigt sich, als er erklärte „wir haben das, was von der Gesellschaft übrig bleibt.“ Auf den heftigen Protest der Moderatorin korrigierte er –in den Justizvollzugsanstalten seien die, die durch die zu weiten Maschen des sozialen Netzes fallen. Nach 200 Jahren Gefängniskritik mussten wir einen grünen Justizminister erleben, der nicht einen Funken Selbstkritik zu kennen scheint.
„Den Zusammenhang von Armut und Gefängnis herauszustellen, bedeutet dann, das Gefängnis als einen gesellschaftlichen Ort von sozial segregierenden und differenzierenden Dynamiken und Prozessen zu begreifen, der nicht Lösung, Antwort oder Reaktion auf Kriminalität, sondern den vielleicht zentralen Mechanismus ihrer Reproduktion darstellt.“(Il-Tschung Lim u.a.: Stichwort Gefängnis und Armut. In: WestEnd 2/2017, S.73-76)
Tatsächlich kann von einem Podium in einer Stunde nicht alles diskutiert werden. Aber wenn es um Gefangene geht, sollte reflektiert werden, warum 94% aller Gefangenen Männer und 6% Frauen sind. Dass der Strafvollzug Männervollzug ist, darauf muss doch die Hauptaufmerksamkeit gerichtetwerden. Diese Geschlechtsblindheit zieht sich durch die ganze Geschichte der Auseinandersetzungmit Kriminalität und Strafvollzug. In den Kriminologischen Wörterbüchern geht es umJugendkriminalität, Frauenkriminalität, seit neuestem Seniorenkriminalität – es finden sich keineKapitel über Männerkriminalität. Wer Männerkriminalität googelt, landet sofort bei Beiträgen, wo eswieder um Frauen geht.
Öffentlich werden von Frauen und zunehmend auch von Männern seit Jahren gleiche Rechteeingefordert: gleicher Lohn für gleiche Arbeit und 50% der Plätze in den politischen Gremien und inden Aufsichtsräten und Vorständen in der Wirtschaft. 50% Frauen im Strafvollzug ist allenfalls einThema auf Seiten der Bediensteten. Auf die Idee 50% Frauen in Haft zu fordern kommt niemand. Mit dem Gleichberechtigungsanspruch kommt man hieroffensichtlich nicht weiter.
„Wenn Kampf um den Machterhalt des Patriarchats eine Konstante innerhalb derGeschlechterbeziehungen ist, dann haben die Anteilseigner des Patriarchats ein Interesse daran, jedeMännlichkeit zu unterdrücken, die die hegemoniale Männlichkeit untergraben könnte.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Hegemoniale_M%C3%A4nnlichkeit
Die kritische Kriminologin Gerlinda Smaus hat erklärt, wozu die symbolischen Funktionen des Strafrechts dienen:
„Aufrechterhaltung der Ressourcenverteilung und der Genderstruktur
– Umfassender Schutz der politischen und wirtschaftlichen Organisation der Gesellschaft
– Umfassender Schutz des Eigentums und der Eigentumsverhältnisse
– Faktische Adressaten des Strafrechts bzw. die Gelegenheitsstruktur:
die „wirklichen“ Adressaten sind vornehmlich Männer der Unterschicht (vgl. Population derGefängnisse). Frauen haben zu den meisten Begehungsarten keinen Zugang.“
(Vortrag Prof.in Dr.in Gerlinda Smaus „Kriminologie aus gendertheoretischer Sicht“)
https://www.youtube.com/watch?v=zQ
Damit erklärt sich auch, warum zwar seit über 100 Jahren unermüdlich Franz von Liszt zitiert wird, der in einer guten Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik sah, und das folgenlos geblieben ist.
Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Thomas Quast und seiner Band.,
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Quast.
Die Moderatorin gab ihm Gelegenheit die Arche für Obdachlose vorzustellen in der Thomas Quast für den Rechtshilfefonds verantwortlich ist.
https://www.arche-obdach.org/
Unerwähnt blieb in der Veranstaltung, dass auch die Abschaffung der Obdachlosigkeit Haftplätze entscheidend verringern könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Kippe