Für Michael Neumann gibt es vor allem ein Problem. Seiner Meinung nach wird „viel über Obdachlosigkeit gesprochen und zu wenig dagegen getan. Köln hat ein Umsetzungsdefizit“.
Liebe Leserinnen und Leser,
Dienstag Abend haben wir in Köln eine interessante Diskussion erlebt. Der Presseclub lud in der Kreissparkassenfiliale am Neumarkt ein zum Thema „DIe verwahrloste City“.
Nicht als Beteiligte waren wir vom Aktionsbündnis bei der Podiumsveranstaltung dabei, sondern nur passiv als Zuhörer, viele auch nur draußen vor der Tür, wie es sich für eine alte Bürgerstadt wie Köln gehört, wo die einfachen Leute immer vor der Tür warten mussten, wenn die Bürger miteinander gesprochen haben,.
Und Bürger, das sind in Köln nicht einfach nur die Arbeitenden und die Steuerzahler und die Wähler der verschiedenen Parteien, sondern diejenigen, die durch Rang und Stellung zum Kreis derjenigen gehören, die etwas zu sagen haben und denen man zuhört.
So wurden wir gebeten, draußen zu bleiben, als ein so genannter Presseverein die Verwaltung, die Polizei und verschiedene Sachverständige, die man dazu geladen hatte, bat, zum „Problem der drogenkranken Obdachlosen“ Stellung zu nehmen, von denen man sich in seinen Geschäften gestört fühlt, nämlich beim Shopping und überhaupt beim Schlendern durch die Straßen der Stadt, die man so hübsch wieder aufgebaut hat, und eben nicht dafür, um sich dabei von einer Handvoll verwahrloster, kranker und stinkender Subjekte belästigen zu lassen.
Die Bürger dieser Stadt, diejenigen also, die, wie ich bereits erwähnte, in Köln etwas zu sagen und zu bestimmen haben, und denen man also zuhört, haben dabei in der Vergangenheit gezeigt, dass sie für die Probleme dieser bedauerlichen Opfer unserer schnelllebigen Zeit wahrlich genug Geduld aufgebracht haben, aber irgendwo müsse ja jetzt mal Schluss sein.
Wer, bitteschön, lässt sich schon gerne auf die Schuhe kotzen, wer watet schon gerne durch Urin und Kot, wenn er ein internationales Kunsthaus betritt, um sich dort über die Angebote des Kunstmarktes zu informieren und vielleicht das eine oder andere Stück zu erwerben?
Wer möchte schon, wenn er zur Andacht in einer der herrlichen romanischen Kirchen schreitet, welche Bürgersinn und Glaube nach den Zerstörungen des unglückseligen Krieges, dessen wir uns nur mir Schaudern erinnern, wieder errichtet haben, dass sich ihm eine schmutzige Hand entgegenstreckt, an der noch das Blut der letzten Injektionen mit Rauschmitteln haftet? Wer mag schon in den Abendstunden über eines der menschlichen Wracks stolpern, welches an einer Mauer kauernd seinen kurzen Rausch genießt?
Hier also galt es, endlich Abhilfe zu schaffen.
Das Geleiere von Sozialarbeitern und linken Phantasten hatte man genug gehört, jetzt brauchte man Taten.
Entsprechend war das Podium nicht mit Psychologen besetzt, auch nicht mit Ärzten und schon gar nicht mit Sozialarbeitern, und vor allem hatte man den Fehler vermieden, die Vertreter einer ganz besonders nervigen Gattung auf das Podium zu laden, ich rede hier von den so genannten „Betroffenen“, den ehemals Drogenkranken und Obdachlosen, die es durch eine günstige Fügung des Schicksals geschafft haben , dem Todeskreis von Obdachlosigkeit und Drogensucht zu entkommen und wieder in die menschliche Gesellschaft zurückzukehren, die sie aus eigenen Entschluss und auf eigene Verantwortung verlassen hatten.
…
Ausgesperrt blieben auch die Soziologen und die Kriminalisten, die einem Blick auf den rasant steigenden Drogenkonsum und die beginnenden Drogenkriege im Heiligen Köln geworfen hätten.
Vermisst haben wir auch einen Blick auf den Umgang mit der „klassischen“ heimischen Droge, dem Alkohol, der weit höhere gesundheitliche und überhaupt gesellschaftliche Schäden verursacht, als der Mohn, das Haschischkrautoder die Kokanuss zusammen.
Während die Drogenlabors von Spezialeinheiten der Polizei gestürmt und geschlossen werden, während Drogenhändler als Schwerkriminelle verfolgt werden, sitzen Brauereidirektorenwie weiland Karl-Heinz Schmalzgrüberim Rat der Stadt und wird bei städtischen Feiern unter Leitung der Oberbürgermeisterin ein spezielles Alkoholgetränk ausgeschenkt, welches sich mit dem Namen der Stadt schmückt. Auch steigt man nach den Festen, für welche die Stadt berühmt ist und mit den sie sich schmückt, gerne über die so genannten „Bierleichen“, die dann früher oder später in den Straßen und Gassen liegen und die von den städtischen Rettungsdiensten eingesammelt und in den Krankenhäusern medizinisch versorgt werden..
Die Zahlen der Alkoholkranken, der so genannten Alkoholiker, und der jährliche Schaden des Alkoholkonsums sind allgemein bekannt und brauchen hier nicht wiederholt zu werden.
Hier würden wir an ein gesellschaftliches Tabu rühren, denn es gibt ja in Deutschland wohl keine Familie, die nicht in der einen oder anderen Form von den Folgen der Drogensucht und insbesondere des Alkoholismus getroffen wären. Man hätte ein wirkliches gruppentherapeutisches Setting erleben können, wenn die Versammlung damit begonnen hätte, dass jeder und jede Anwesende über seine/ihre eigenen Erfahrungen und die seiner/ihrer Familie mit Drogen und Alkohol berichtethätte.
Dies vorausgesetzt, konnte es sich bei der besagten Versammlung in der Kreissparkasse nur um den Versuch handeln, ein gesamtgesellschaftliches Problem erster Güte zum Verschwinden zu bringen sprich unter den Teppich zu kehren. Kritiker konnten dabei nur stören.
Vorgezeigt wurde in Anwesenheit der Ordnungsdezernentin und des Polizeipräsidenten ein „Fachmann“ aus der für ihren Bürgersinn bekannten Stadt Zürich in der Schweiz, die außer für ihre anrüchigen Geldgeschäfte vor einigen Jahren auch für den ausufernden Drogenkonsum ihrer jüngeren Bürger bekannt geworden ist, und die dieses Problem auf interessante Weise in den Griffen bekommen hat, nicht indem sie den Drogenkonsum besiegt oder auch nur wesentlich herabgesetzt hätte, sondern indem sie ihn unsichtbar gemacht hat, ganz in der Tradition ihrer calvinistischen Spielart des Protestantismus.
Dieses Modell galt es der interessierten Kölner Öffentlichkeit vorzustellen, was auch geschehen ist.
Die „Lösung“ der Stadt Zürich ist im Stadtanzeiger bereits der breiteren Öffentlichkeit in Köln dargestellt worden und wird in der nächsten Zeit noch Gegenstand öffentlicher Diskussionen sein. Sie besteht im Wesentlichen darin, dass in einiger Entfernung vom Zentrum der Stadt mehrere voneinander entfernt liegende Behandlungszentren eingerichtet werden, in denen die Süchtigen sich spritzen und ihren Rausch ausschlafen dürfen.
Diese Behandlungszentren sind auch in den Öffnungszeiten und in der Entfernung voneinander so angelegt, dass die Kranken nur kurze Zeit ausruhen können, dann aber zur nächsten Drogeneinnahme zum nächsten Behandlungszentrum eilen müssen, dabei aber immer außerhalb des eigentlichen städtischen Zentrums gehalten werden.
Koordiniert wird das Ganze vermutlich in den Geldhäusern der Stadt, bei denen die Drogenbarone bekanntlich genau so Kunden sind wie die internationalen Waffenhändler, an deren Händen ohnehin Blut klebt.
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Wir vom Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit werden dagegen weiterhin den schlichten Weg der Menschlichkeit gehen, den unser Freund und Mitstreiter Kalle Gerigk im aktuellen Express-Artikel aufgezeigt hat.
24.08.2025 Express – „Obdachlosigkeit_beenden, nicht verdrängen“
In diesem engagiert geschriebenen Artikel wird deutlich, dass viele Kölnerinnen und Kölner selbst genug Herz und Verstand zur Beantwortung der Frage haben, um die elendige humanitäre Krise in der Innenstadt zu bewältigen, indem sie den Betroffenen zuhörten und mit ihnen gemeinsam Lösungen erarbeiteten. Und die heißen betreutes Wohnen in abschließbaren Zimmern und Wohnungen, medizinische wie pschologische Versorgung, kurz Housing First.
Dabei schauen wir nicht in die Schweiz , vielmehr nach Finnland, wo STAAT UND GESELLSCHAFT beispielhaft diese Lösung der Misere auf den Weg gebracht haben, eine Lösung, die sich international anerkannt bewährt hat.
Darüber redete leider niemand auf dem Podium des Presseclub. Andere schon. So hat sich einer der Oberbürgermeister-Kandidaten in Helsinki vor Ort kundig gemacht und setzt sich dafür in Köln ein. Hierbei wird der ehemalige Südstadt-Pfarrer Hans Mörtter unterstützt vom Stadt-Anzeiger und von Pfarrer Franz Meurer.
Der Rundbrief berichtet weiter.
Wir freuen uns über euer Interesse und weitere Anmeldungen.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Kippe, SSM